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aller wie immer gefaßten raumbestimmenden Elemente, das heißt, die durch-
gängige Einheit aller Gestalten.
Herrscht aber Einheit unter allen Gestalten oder Einzelräumlich-
keiten, dann ist der Raum kein reines Nebeneinander — es ist
s c h o n e i n Ü b e r - R ä u m l i c h e s , e i n R a u m l o s e s i m
R a u m e g e f u n d e n ! Fragt man, woher diese „Einheit“, diese
Überwindung des nackten „Nebeneinander“?, so lautet die Ant-
wort: von der S t e t i g k e i t . Doch kommen wir darauf erst spä-
ter zu sprechen. Jetzt gilt es noch, den Begriff der Einheit der Ge-
stalten weiter zu erläutern. „Einheit“ ist kein räum- / licher Be-
griff. Die Einheit aller Gestalten, die sich in dem Satze ausspricht:
„Keine Raumgestalt ist ohne die andere“, ist selbst etwas Raumloses,
sie l i e g t i n k e i n e m R a u m e .
Man könnte einwenden, in dieser Gegenseitigkeit sei nicht der
echte Begriff der „Gezweiung“ gültig, nach welchem das Mit-Aus-
gegliederte und Mit-Rückverbundene sich gegenseitig Seinsgrund
ist, sich gegenseitig erschafft. Sondern es handle sich nur um eine
mechanische, mengenhafte Gegenseitigkeit, wonach diejenige Menge
an Raum, die der einen Gestalt genommen, der anderen gegeben
wird und umgekehrt. — Dieser Einwand ist durchaus richtig, inso-
ferne er auf das Mengenhafte hinweist, das hier im Spiele ist. Durch
jene Gegenseitigkeit wird Raum nicht neu erweckt, nicht geschaffen,
wie in der echten Gezweiung, sondern nur hin und her geschoben.
Aber die Sache hat doch noch eine andere Seite. Es müßte ja nicht
unbedingt so sein. Aus dem reinen Nebeneinander, in dem das eine
dem anderen gleichgültig ist, müßte folgen, daß bei Zusammen-
schrumpfung einer Gestalt ein wahrhaft leerer Raum, ein Vakuum,
ein Nichts, ein Loch, das als solches keine Gestalt hat, entsteht, und
demgemäß, daß dennoch die anderen Gestalten von jener Schrump-
fung nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Nur ein Allzusam-
menhang, eine gewisse Art von Gesamteinheit des Raumes, nämlich
seine Stetigkeit, ermöglicht jene „Gegenseitigkeit“ der Gestalten,
die dann allerdings rein mengenhaft bleibt, da der Raum nun ein-
mal eine Größe ist. Wir sagten früher, es sei die Magie der Zeit,
daß in ihr Vergangenes Gegenwart sei, wie besonders die Erinne-
rung das Vergangene sinnfällig wieder gegenwärtig macht
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; ebenso
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Siehe oben S. 3 4 4 f.