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Die zergliedernde Betrachtung des Raumes hat sich zuerst den

beiden Grundeigenschaften der dreifachen Abmessung und der

Stetigkeit zuzuwenden. Die bloße Ausgedehntheit ließ den Raum als

Nebeneinander s c h l e c h t h i n erscheinen und damit als voll-

kommen gleichgültig gegen seine Teile. So wird er auch allgemein

bei den oben angeführten Verfassern angenommen. Die nähere

Untersuchung zeigt aber, daß dies nicht vollkommen zutrifft. Neh-

men wir einen geschlossenen Raum, den wir zu überblicken ver-

mögen, dann zeigt sich, daß er sich durchgängig in Gestalten der

Dinge untereinander teilt. A b e r d i e s e s g e s t a l t e t G e -

t e i l t e i s t m e r k w ü r d i g e r w e i s e g e g e n e i n a n d e r

n i c h t g l e i c h g ü l t i g ! Mit einem einzigen Winkel eines

Dreieckes ändern sich alle anderen, mit der Vergrößerung der einen

Gestalt wird das Verbleibende verkleinert und so fort. Keine Ge-

stalt ist ohne die andere Gestalt, alle Gestalten sind nur mit allen

anderen, sind nur gegenseitig denkbar. Wir nennen das die „Einheit

der Gestalten“, im übertragenen Sinne könnten wir auch „Ge-

zweiung der Gestalten“ sagen. Im Raume herrscht also, wie die

durchgängige Einheit der Gestalten zeigt, keineswegs vollständige

Einheits- / losigkeit, kein schlechthin gleichgültiges Nebeneinander

der einzelnen Räumlichkeiten oder Gestalten.

Betrachten wir dies genauer an einigen Beispielen. Zunächst ist es rein geome-

trisch (zeichnerisch, figürlich) gesehen klar, daß jede Änderung einer einzigen

Gestalt alle anderen Gestalten in dem angenommenen überblickten Gesamtraum

verändern muß. Bestünde der betreffende Raum aus zwei Würfeln, so müßte die

Verkleinerung des einen Würfels entweder die Vergrößerung des andern, oder,

wenn dieser unverändert bliebe, die Entstehung einer neuen Gestalt (den Zwi-

schenraum) zur Folge haben. — Würde sich im Bilde eines Malers eine einzige

Linie ändern, so wäre damit das Verhältnis aller Linien, also aller Gestalten,

geändert. — Auch dynamisch gesehen, trifft dasselbe zu, da zum Beispiel jede Än-

derung im Gravitationsfelde (Niederfallen eines Steines) eine Gesamtveränderung

im Felde (also eine Gesamtveränderung der im Felde gelegenen Gestaltungen) her-

vorruft, ebenso aber auch die gesamte Druck- und Stoßverteilung durch ein sol-

ches Niederfallen geändert ist, also die durch Druckverteilungen bewirkten Ge-

staltungen geändert wurden (zum Beispiel wenn ein in das Wasser geworfener

Stein durch seine Wasserverdrängung den gesamten Wasserspiegel hebt, wenn ein

an die Oberfläche kommender Tiefseefisch zerplatzt). Würde die Sonne sich

plötzlich verzehnfachen, so bliebe keine Gestalt auf der Erde dieselbe. Rein

physikalisch ist dabei die „Wechselbeziehung“ aller Kräfte zu betrachten, aber

darüber hinaus geht der Einheitszusammenhang der Räume, für die es ja

k e i n e e i g e n e n K r ä f t e i n d e r P h y s i k g i b t . — Es ist wohl müßig,

solche Beispiele weiter zu verfolgen. Denn auf den ersten Blick zeigt sich überall

deutlich die Verhältnismäßigkeit aller Gestaltungen (Figuren), die Gegenseitigkeit