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Spann hat auch die Gründe der Fehlausgliederungen, die in der
Selbstbezogenheit des Geschöpflichen, im Wagnis der Gezweiung
selbst liegen, klar gesehen und erwogen und hat ständig mit den
sich hier stellenden Fragen gerungen. Sein viel zu früher Tod un-
terbrach auch seine unermüdliche Arbeit in diesem Problembereich.
Früh erkannte er die Grenzen, die dem philosophischen Bemühen
im Bereich der Theodizee gesetzt sind und wußte, daß sich der
Philosoph hier oft auf die Erwägung von Möglichkeiten beschrän-
ken, vieles der religio überlassen muß.
Die geistige Seinsordnung in ihrem eigenen Bereich (vor der Ge-
zweiung mit der stofflichen Welt) behandelte Spann im letzten Buch
des Schöpfungsganges, in der Ideenlehre. In ihm entwickelt er nach
Behandlung der Schwierigkeiten der Platonischen und der späteren
Formen der Ideenlehre seine ganzheitliche Ideenlehre.
Das Reich der Ideen ist ihm „eine schaffensmächtige, aber den-
noch rein geistige Welt, ein geistiger Gliederbau, ein kosmos noe-
tós.“
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Er besteht für sich (über dieser Welt), ist aber i n dieser
Welt als ausgliedernde und gestaltende Macht wirksam. Sein Wirken
ruft wieder Schaffen hervor, daher ist er auf die Bereiche des Le-
bens und des Geistes beschränkt, kann er unmittelbar in die Materie
nicht herabsteigen, kann er sich nicht in ihr ausgliedern, sondern
nur mit den vorstofflichen Wurzeln der Materie in Gezweiung tre-
ten. Natur steht als eigenständiger Schöpfungsbereich neben der
Ideenwelt und hat ihr e i g e n Wesen und ihre eigenen Formen.
„Die Ideenwelt aber wohnt dieser Natur ein — der schon in
sich selbst geformten Natur — und tritt in den organischen Lei-
bern von Pflanze, Tier und Mensch, ferner in den geistig-sittlichen
Gestaltungen der Gesellschaft und der Geschichte in Erscheinung.“
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Damit ist das Problem der Verdopplung der Welt, das frühere
Formen der Ideenlehre belastet hatte, bewältigt.
Die ganzheitliche Ideenlehre kennt nur „diese e i n e Welt, die
Gott geschaffen“
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hat, die sich wieder in die beiden g l e i c h
ursprünglichen Reiche der Natur und des Geistes gliedert.
Der Mensch aber gehört beiden Reichen an, ist Bindeglied zwi-
schen ihnen. Als Geistwesen steht er mit dem Reiche der Ideen
1
Siehe oben S. 485.
2
Siehe oben S. 451.
3
Siehe oben S. 451.