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gesamte organische Lebenswelt erfüllenden, bestimmenden und ge-
staltenden Ganzheiten.“
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Spanns Lebenslehre ruht auf einer metaphysischen Grundlage,
die noch problembeladener ist als Drieschs Philosophie des Organi-
schen mit ihrer Entelechienlehre und Max Schelers Theorie der
Stufen des Psychischen, sie erschließt aber auch eine größere Fülle
von Einsichten als diese. Die Prüfung ihrer Voraussetzungen und
ihres Ausbaus ist erst in Angriff zu nehmen. Sie birgt viele, heute
noch kaum geahnte Entwicklungsmöglichkeiten des Aufbaus einer
Philosophie des Lebens, die den heute durch die biologische For-
schung aufgeworfenen Problemen wirklich gerecht werden könnte.
Analoges gilt auch von der ganzheitlichen Ideenlehre, dem einzi-
gen, wirklichkeitsbezogenen und fruchtbaren Versuch einer Ideen-
lehre in der Philosophie unseres Jahrhunderts. Spann sah in den
Ideen nicht die tragende Struktur der Gesamtwirklichkeit, wie be-
deutende deutsche und englische Philosophen unserer Zeit, sondern
setzt sie nur dort an, wo uns Tatsachen diese wirksamen Ganz-
heiten ahnen lassen „und dadurch sagen: daß I d e e n s i n d
und wir in ihnen leben“
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, und das ist der Bereich des Organischen
und der der menschlichen Gesellschaft und des Geisteslebens. Als
Lebewesen fühlt sich der Mensch immer wieder eingebettet in ein
Höheres, Allgemeines, „das den Anfang seines sichtbaren Werdens
und seinen ganzen biologischen Lebensweg bestimmt, das als eigene
wirksame Macht auftritt, die Spann als I d e e bezeichnet, da sie
g e s t a l t b i l d e n d ist, sich in Gestalten ausprägt, die ein In-
neres sinnbildlich ausdrücken. In diesen Bereichen findet sich das
Verhältnis von Urbild und Abbild, von Idee als wirksamer Ganz-
heit und Glied.
Die organischen Gestalten sind Spann Ergebnis der Gezweiung
der Idee mit dem Stoff. Nicht das Seelisch-Lebendige gliedert sich in
den Gestalten der Lebewesen aus, wohl aber findet der i n n e r e
Rhythmus des Lebens seine räumliche Entsprechung in den Le-
bensprozessen. Was Inhalt des geistigen Lebens im Bereich der
Gezweiung höherer Ordnung ist, kommt durch V e r l e i b l i -
c h u n g nach a u ß e n zur stofflichen Darstellung. Dieser Zu-
sammenhang wirft auch Licht auf das Verhältnis des Naturschönen
1
Siehe oben S. 435 f.
2
Siehe oben S. 437.