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[IX/X]
mich zu bewerben und diese Einführung auf lehrgeschichtlicher
Grundlage zu verfassen. Denn schon zu Beginn meiner Studienzeit
quälte mich die Frage: Was denn nun eigentlich an den Lehrsätzen
der alten Meister, die in der Geschichte der Volks- / wirtschaftslehre
vorgetragen werden, wahr sei, und was die gegenwärtige Wissenschaft
dazu sage? Kein Buch und keine Vorlesung konnte mir darüber
Auskunft geben. Ich stürzte mich mit Eifer in meine Aufgabe und
reichte etwa im Sommer 1904 die Handschrift ein, die (mit Aus-
nahme des Abschnittes über Adam Müller) ziemlich genau der ersten
Auflage der „Haupttheorien“ glich. Die Arbeit erhielt aber keinen
Preis; auch ihre Drucklegung unterblieb. Stegemann lehnte in einem
Briefe an mich das lehrgeschichtliche Verfahren ab.
Später hatte das Buch noch zwei weitere Irrfahrten durchzu-
machen; die eine über den Ozean, die andere von Verlag zu Verlag.
Es dürfte etwa im Sommer 1905 gewesen sein, als ich mit meiner
späteren Frau in Aschaffenburg ausstieg, um das schöne Städtchen
zu besichtigen, und mein kleines Handköfferchen auf dem Bahnhofe
hinterlegte, das unter anderem die Handschrift des Buches enthielt.
Als wir zurückkamen, war das Gepäckstück nicht mehr aufzufinden.
Sieben Mönche waren als Missionare nach Chile gezogen und hatten
es in der Eile mitgenommen. Ich war verzweifelt, denn die Hand-
schrift, die auf weitläufigen Vorarbeiten und Studien beruhte, je
wieder herzustellen, erschien ausgeschlossen. In diesem Unglück
konnten mich auch die 100 Mark nicht trösten, welche die bayrische
Staatsbahn damals als Verlustgeld zu bezahlen pflegte. Schon war
die letzte Hoffnung aufgegeben, als ich plötzlich — es dürfte etwa
ein halbes Jahr später gewesen sein — mein Köfferchen arg zerzaust,
aber mit unversehrter Handschrift zurückerhielt. Es waren wirklich
Mönche, und zwar Missionsbrüder aus St. Gabriel bei Wien, gewe-
sen, die damals mein Gepäckstück mitnahmen und den glänzenden
Einfall hatten, es aus Südamerika redlich zurückzusenden. Die An-
schrift hatten sie zum Glück aus beigelegten Briefen entnehmen
können. Und nun die letzte Irrfahrt. Im Frühjahr 1909, als ich
vom statistischen Fegefeuer erlöst zum außerordentlichen Professor
der Volkswirtschaftslehre an die deutsche technische Hochschule in
Brünn berufen wurde, suchte ich meine Blätter wieder hervor und
bemühte mich, die Fassung durch die Erfahrungen, welche sich bei
den Vorlesungen ergaben, sowie durch weitere Studien (die schon