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Zur Einführung

Eine Wissenschaft, die in so viele Richtungen zerfällt wie die

Volkswirtschaftslehre, muß vor allem geschichtlich behandelt

werden.

Der Leser soll daher im folgenden mit den großen Lehrgebäuden

bekannt werden, um einen Überblick über ihre Grundfragen und

Lösungen zu gewinnen. Und zwar soll sich an die kurze Darstellung

der einzelnen Lehrgebäude eine prüfende Erörterung ihrer Haupt-

gedanken schließen. Dabei kommt der gegenwärtige Stand unserer

Wissenschaft von selbst zur Geltung. Auf diese Weise wird z. B.

dargestellt: beim Merkantilismus die Geld- und Handelsbilanzlehre,

bei den Physiokraten und Adam Müller die Produktivitäts- und

Güterlehre, bei List die Schutzzoll- und Freihandelslehre und so

fort. Diese kritisch-vergleichende Art ist aber auch der fruchtbare

Weg, Lehrgeschichte zu treiben, denn ohne Gewinnung eines eige-

nen Standpunktes ist alle Geschichtschreibung saft- und kraftlos.

Die Meinung, Standpunktlosigkeit sei auch ein Standpunkt, gleicht

dem Versuche, im luftleeren Raum zu atmen. Im Grunde ist sie

Relativismus. Allerdings müssen die Lehrgebäude unbefangen, das

heißt von sich selbst aus und nicht von einem einzelnen anderen

Gebäude aus, betrachtet werden; aber gerade darin, worauf der

große Zusammenhang der Lehrgebäude untereinander hinweist,

liegt die höhere geistesgeschichtliche Ordnung, darin liegt das höhere

System, und dort muß der Geschichtschreiber seinen Standpunkt

einnehmen.

Der Vorteil dieses Verfahrens, mit den Lehren der so überaus

abstrakten und doch wieder ganz konkreten, ganz im Leben wur-

zelnden Wissenschaft der Volkswirtschaftslehre bekannt zu machen,

ist zuerst der, daß jedes Lehrstück nicht starr und gebieterisch,

sondern inmitten seines Für und Wider vorgeführt wird, vor allem

aber in seinem g e n e t i s c h e n Zusammenhang erscheint. Dadurch

wird dem Anfänger die gewaltige geistige Arbeit veranschaulicht,

die hinter jenen Begriffen steckt, welche ihm beim s y s t e m a t i -

s c h e n Studium der heutigen Volkswirtschaftslehre scheinbar

fertig entgegentreten. Es wird dadurch auch greifbar auf die

großen philosophischen Zusammenhänge verwiesen, / ohne die nie-

mals eine Volkswirtschaftslehre entstand. Unser Verfahren hat zu-