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universalistischen Grundanschauung, eine verschiedene Verwendung, einen
verschiedenen Sinn finden.
Gleich wie der Biologe seinen Gegenstand, das Lebendige, in Erman-
gelung vollkommener äußerer Begriffsmerkmale nur findet, weil er selbst
ein Lebendiger ist und von sich aus weiß, was Leben ist, so muß auch
der Jünger in sich selbst finden und erleben, was Gesellschaft und Wirt-
schaft sei; und dieses Wissen soll ihm durch all seine Erfahrung, Betrach-
tung, Zergliederung und Forschung ein Begleiter sein.
W i e n , im Juli 1919
Othmar Spann
Vorwort zur ersten Auflage
Das Werk, das ich nunmehr in die Hände der Studierenden und ge-
bildeten Laien lege, soll, wie sein Name bestimmt, nicht so sehr eine
Geschichte der Volkswirtschaftslehre als vielmehr eine konzentrierte Dar-
stellung und Kritik ihrer großen Theorien und Systeme enthalten. Die
nationalökonomischen Grundprobleme, in der wechselnden Beleuchtung
geschichtlicher Entwicklung, sollen in ihrem Wesen klar erkannt und
zugleich die heutigen Lehren der Wissenschaft nach Möglichkeit vermit-
telt werden.
Dieser geschichtliche Weg zur Erreichung eines tieferen theoretischen
Verständnisses wurde ähnlich in der Philosophie seit je begangen und
scheint sich mir als der leichteste und natürlichste auch in der Volks-
wirtschaftslehre darzubieten, wo es oft nicht minder auf die Beurteilung
subtiler und überaus schwieriger theoretischer Gedankengänge ankommt;
es sollen daher die Meister sprechen. Möge das bescheidene Unternehmen
dazu beitragen, dem immer mehr wachsenden Interesse für die theore-
tischen Zusammenhänge in den wirtschaftlichen Erscheinungen zu dienen,
und möchte es auch entsprechend seiner verwickelten Aufgabe eine nach-
sichtige Beurteilung finden.
B r ü n n , im Herbst 1910
Othmar Spann