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gierde (besser: Sinnlichkeit im Sinne von Vitalität) — unterschie-

den habe; auf diesen drei Seelenteilen gründeten, so meint man, die

drei Tugenden: Weisheit, Tapferkeit, Mäßigkeit; auf diese drei

Tugenden oder „Seelenkräfte“ gründeten sich wieder die drei

Stände: Herrscher, Wächter, Wirtschafter; so daß der Staat nichts

anderes sei als der „M e n s c h i m G r o ß e n“

1

. — Eine / solche

Auslegung, der schon Andreae entgegentrat

2

, vergißt aber durch-

aus die metaphysischen Grundlagen des Platonischen Gebäudes, die

Ideenlehre. Die gegenwärtige Philosophie sucht Platon gewisser-

maßen zu verbessern und glaubt, da sie selbst die metaphysischen

Grundlagen nicht ernst nimmt, ihn von der subjektiv aufgefaßten

Seelenlehre her verstehen zu müssen. Das Gegenteil ist wahr!

Die G r u n d l a g e d e r P l a t o n i s c h e n S t a a t s l e h r e

i s t d i e I d e e n l e h r e .

Die Platonische Staatslehre kann nur von der Platonischen Meta-

physik her verstanden werden, deren Kernstück aber die Ideenlehre

ist; und die Platonische Seelenlehre kann nur nicht subjektiv, viel-

mehr von der Staatslehre her verstanden werden, die eine Lehre des

Gesamtgeistes ist.

Es ist nach Platon die I d e e d e r G e r e c h t i g k e i t , die

sich im Staate darstellt. Das hat die große Bedeutung, daß auf diese

Weise die Ideenwelt, nicht wie es angeblich sonst die Platonische

Metaphysik fordert, bloß jenseitig besteht (Transzendenz der Idee),

sondern auch diesseitig lebendig und wirksam ist, in den Staaten

und in den Bürgern der Staaten, den einzelnen Menschen (Imma-

nenz der Idee).

1

In dieser Weise stellt die Platonische Lehre z. B. dar: Paul Deussen:

Allgemeine Geschichte der Philosophie, Bd 2, Abt. 1, Leipzig 1915, S. 295—297.

— Wilhelm Windelband: Geschichte der abendländischen Philosophie im Alter-

tum, 4. Aufl., bearbeitet von Albert Goedeckemeyer (= Handbuch der Alter-

tumswissenschaft, Bd 5, Abt. 1, Teil 1), München 1923, S. 132: „Ihre charak-

teristische Ausbildung erhält seine Staatslehre aber ebenso wie seine Tugendlehre

durch die Dreiteilung der Seele.“ — Eduard Zeller: Die Philosophie der Griechen

in ihrer geschichtlichen Entwicklung, 5. Aufl., Leipzig 1922, S. 904 ff. — Hans

Meyer: Die Geschichte der alten Philosophie, München 1925, S. 176 ff. und S. 194 ff.

Dagegen: Carl Praechter: Die Philosophie des Altertums, 12. Aufl., Berlin 1926,

S. 274 ff. — Alfred Verdroß-Droßberg: Grundlinien der antiken Rechts- und

Staatsphilosophie, 2. Aufl., Wien 1948.

2

Platons Staatsschriften, griechisch und deutsch, herausgegeben von Wilhelm

Andreae, Teil 2: Staat (= Die Herdflamme, Bd 6), Bd 2, Einleitung und Er-

läuterungen, Jena 1925, S. 91 f.