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nach Möglichkeit alle gleich und Freunde sind, indem wir durch
dasselbe geleitet werden
1
.“
Man darf diesen Begriff der Regierung, der jedem objektiven
Idealismus eigen ist, nicht nur den Platonischen, sondern auch den
altarischen (zarathustrischen) nennen. Als altarische und indische
Formel kann gelten: Weltordnung — Kultordnung = Rechtsord-
nung
2
. Die Ordnung des Gottesdienstes bildet die Weltordnung
nach (wie auch heute die christliche Messe); die Rechtsordnung bil-
det beide nach.
Die T h e o k r a t i e wäre daher begrifflich die / wesensgemäße-
ste Regierungsform. Der heilige Weise weiß am besten, was die
göttliche Weltordnung vom rechten Leben fordert.
E. P l a t o n s S t a a t i s t k e i n e U t o p i e
Wir dürfen gerade im Mittelalter jene Zeit sehen, in der die
Grundzüge des Platonischen Staates verwirklicht waren, worauf
schon Ranke hinwies
3
. Der Stand der Weisen war in Form des
P r i e s t e r s t a n d e s , der sich frei aus allen Schichten zu er-
gänzen vermochte, teils unmittelbar (politische Verrichtungen der
Kirchenfürsten und der Päpste!), teils mittelbar (durch die geist-
liche Oberleitung über das Leben und die Autorität des ganzen
Standes!) der Lenker des Staats- und Gemeinschaftslebens; Heilig-
keit und Weisheit waren die Tugenden, die diesem Stande als Leit-
sterne voranleuchteten. Ihm folgte der Stand der Wächter, der
r i t t e r l i c h e S t a n d , der im Frieden wie im Kriege den Staat
führte und dessen Leitstern edle Gesinnung und Tapferkeit war.
Von ihm abgeleitet, aber in verhältnismäßiger Selbständigkeit,
innerlich selbst wieder ständisch gegliedert, war der B ü r g e r -
s t a n d und, wenigstens teilweise, auch der Bauernstand.
Noch deutlicher als das Staatsleben zeigten die Platonische Glie-
1
Platons Staatsschriften, herausgegeben von Wilhelm Andreae, Teil
i:
Staat,
Bd 1, 590c—d, S. 758 f.
2
Vgl. dazu meine Religionsphilosophie, Wien 1947, S. 247 ff.
3
Leopold von Ranke: Weltgeschichte, Bd 1: Die älteste historische Völker-
gruppe und die Griechen, herausgegeben von Horst Michael, Hamburg
1928, S. 299.