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Ferner hat das eine Bedeutung für das V e r f a h r e n : die Wissenschaft hat
nach Platon zu erforschen, was der Staat s e i n e m r e i n e n W e s e n n a c h
sei, der Staat, in welchem sich die „Idee der Gerechtigkeit“ darstellt (daher „Ideal-
staat“); im Gegensatze zur naturalistischen Auffassung der Neuzeit, welche durch
„Induktion“ den Staat der Erfahrung feststellen und auf dieser Grundlage erst sein
Wesen erkennen will. In Wahrheit liegt aber jeder Induktion schon ein heim-
licher Wesensbegriff zugrunde, durch den die Feststellungen über die geschicht-
lichen Staaten überhaupt erst möglich werden.
Platon geht demnach von den o b j e k t i v e n E r f o r d e r -
n i s s e n d e s S t a a t e s aus, gelangt von ihnen aus zur ständi-
schen Dreigliederung, deren Grundlage er auch in der Seele nach-
weist. So kommt er zu den eingangs genannten Begriffen der
Stände, Tugenden und Seelenvermögen. Sie lassen sich in folgendem
Schema darstellen:
Die I d e e d e r G e r e c h t i g k e i t findet ihr Abbild im S t a a t e .
1.
Die wesensgemäße G l i e d e r u n g d e s S t a a t e s : Es gibt
d r e i S t ä n d e (Verrichtungszweige):
Herrscher (oder Wächter)
Wächter oder Helfer
Wirtschafter
2.
Die S i t t l i c h k e i t :
Den Ständen entsprechen:
d r e i T u g e n d e n :
Weisheit
Tapferkeit
Mäßigkeit (Besonnenheit)
In der Harmonie aller Tugenden liegt die G e r e c h t i g k e i t , das ist:
Das Seinige tun, jedem das Seine, suum cuique
1
.
3.
Die S e e l e :
den Tugenden entsprechen:
d r e i S e e l e n v e r m ö g e n :
Geist
Gemüt
Begierde (Sinnlichkeit)
A. Die L e h r e v o n d e n S t ä n d e n
Die Lehre von den drei Ständen, die man von alters her auch als
„Lehrstand, Wehrstand, Nährstand“ be- / zeichnet, ist, wie betont,
nur von der Idee der Gerechtigkeit aus verständlich. Die Idee der
1
Vgl. Platons Staatsschriften, herausgegeben von Wilhelm Andreae, Teil 2,
Bd 1, 434c, S. 313, und zur Platonischen Tugendlehre Bd 2, Einleitung, S. 87
und 90.