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neuere „Naturrecht“ vorstellte) den Staat aus. Diesen Weg von

unten hinauf kann aber eine metaphysische Philosophie niemals

gehen, am allerwenigsten die Platonische Philosophie, die in der

Ideenwelt jene höhere Wirklichkeit hat, von der die ganz niedere,

irdische Dingwelt stammt. Daß alles Irdische an den Himmel ge-

bunden ist, war die Meinung der ganzen alten Welt und vornehm-

lich Platons.

Das Herabsteigen der Idee des rechten Lebens zum einzelnen

Menschen geschieht n i c h t u n v e r m i t t e l t — so kann man

auch den Grund- / gedanken der Platonischen Gesellschaftsphilo-

sophie aussprechen: Vielmehr wird es v e r m i t t e l t durch die Ge-

bilde des Gesamtgeistes, die sich in ihrer Gesamtheit als „Staat“ dar-

stellen, die wieder in jenen drei Lebenskreisen, denen die drei Stände

entsprechen, zur Erscheinung kommen. Die Lebenskreise sind trotz

der ständischen Teilnahmeweise nicht so gedacht, daß jeder Einzelne

nur an e i n e m davon teilnehme, sondern so, daß jeder an a 1 -

1 e n teilnimmt, aber an einem in vorzüglicher Weise

1

. Der Weise

ist daher sowohl tapfer wie besonnen (ein großer Gedanke, den

unser heute üblicher Begriff von Weisheit kaum fassen kann).

D.

Der B e g r i f f d e r R e g i e r u n g

i m b e s o n d e r e n

Ist die Gemeinschaft und das Gliedsein in ihr als Herabsteigen

der Idee in die Wirklichkeit unseres Lebens zu verstehen, dann ist

damit auch ein ganz bestimmter Begriff der richtigen Leitung des

Gemeinschaftslebens, das ist der Regierung, verbunden. Der

W e i s e s c h a u t d i e I d e e ; u n d g i b t d a s G e s c h a u t e

w e i t e r . „Regieren“ ist nicht ein Ausüben subjektiver Herrscher-

rechte und Durchführen guter Einfälle, sondern beruht auf der

Ideenschau, auf der Erkenntnis des Überindividuellen, des Objek-

tiven. — Darum, so können wir erläutern, erfolgt die Herrschaft

der Weisen nicht durch Gewalt, sondern kraft sachlicher Gültigkeit.

Das ist das Große an Platons Ständelehre, daß sie auf dem Ge-

danken beruht: Die Weisen sollen herrschen. „W e n n ... n i c h t

1

Vgl. dazu Platons Staatsschriften, herausgegeben von Wilhelm Andreae,

Teil 2: Staat, Bd

2

:

Einleitung usw., Jena 1925, S. 89.