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Und so in allem Geistesleben. Im praktischen, wissenschaftlichen
und philosophischen Denken von heute leben uralte Gedanken fort.
Wer einen Hammer anfertigt oder gebraucht, in dem lebt der Er-
findergedanke der Urzeit wieder auf.
Gehen wir zur allgemeinen Weltgeschichte über, so zeigt sie uns
dasselbe Bild. Europa ist in vorrömischer Zeit eine bunte Muster-
karte kleiner Volkstümer gewesen, ähnlich wie etwa heute / der
Balkan. Die Römer unterwarfen, das heißt, sie vereinheitlichten es,
und gerade dieses Einheitsgut besteht heute noch teilweise weiter.
Zum Beispiel haben die romanischen Völker Lateinisches in Sprache
und Staat sichtbarlich aufbewahrt, es unter sich wach erhalten. Ohne
die Bewahrung römischen Einheitsgutes auch bei den nichtromani-
schen Völkern wäre Europa als kulturelle und religiöse Gesamtheit
in der heutigen Form nicht denkbar. Auch unser eigenes Volkstum
ist Zeuge einer ähnlichen Vereinheitlichungsarbeit. Die Einigung vie-
ler germanischer Stämme zum deutschen Volkstume wurde durch
die Arbeit der Pippiniden bis zu Karl dem Großen begründet, später
durch jene Heinrichs I. und Ottos I. vollendet. Die Stiftung der
deutschen Welt, die darauf beruhende Gestaltung Europas, die
Otto der Große in Fortsetzung der Arbeit seiner Vorgänger voll-
brachte, besteht heute noch, bestimmt heute noch Europa. Dieses
Buch könnte nicht in deutscher Sprache erscheinen, wenn jene ge-
schichtlichen Tatsachen nicht noch heute wach und rege wären.
Ebenso deutlich zeigt sich solches Weiterwirken an der Vorstel-
lung gegenteiliger geschichtlicher Entscheidungen. Wenn die Grie-
chen bei Marathon nicht gesiegt hätten, wäre der Orient nach
Europa vorgestoßen; wenn die Römer in den Punischen Kriegen
nicht gewonnen hätten, wäre die vereinheitlichende Arbeit des Rö-
merreiches nicht möglich gewesen; wenn die Schlacht auf den Kata-
launischen Feldern, wenn die Kämpfe gegen die Avaren nicht sieg-
reich für den Westen ausgefallen wären, so hätte die germanische
Welt innerlich und äußerlich eine andere Gestalt bekommen; wenn
Karl der Hammer bei Tours und Poitiers nicht standgehalten hätte,
wäre der Islam in Europa vorgedrungen; wenn im dreizehnten
Jahrhundert die Tataren an den schlesischen und österreichischen
Grenzen, wenn zuletzt noch die Türken vor Wien nicht zurück-
geschlagen worden wären, dann hätte die Stetigkeit der Kultur
Mittel- und Westeuropas etwa eine solche Unterbrechung erlitten,