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spruche zur Geschichtslosigkeit; und sofern er Zwecke anerkennt
(jene des Fortschrittes) im Widerspruche zur mechanischen Auf-
fassung. Aber die Aufklärung ist nun einmal nicht nur platt, son-
dern auch voller greller Widersprüche.
Der Schlüssel zur Logik wie zur Unlogik der Aufklärung ist ihre
Ablehnung des Religiösen und Metaphysischen. Daraus folgt zu-
nächst ein sich Zurückziehen auf die eigene Vernunft und Indivi-
dualität. Denn wo das Metaphysische ausgeschaltet wird, fällt auch
das Überindividuelle weg, der Einzelne findet sich auf sich selbst
zurückgewiesen, er findet sich als ein durch seine / eigene V e r -
n u n f t t ä t i g k e i t begründetes Wesen. — Aus dem Rationa-
lismus wie aus dem Individualismus folgt wieder die A b l e h n u n g
d e r A u t o r i t ä t , die ja einerseits etwas geschichtlich Gewor-
denes ist, andererseits etwas Überindividuelles sein will und daher
den Einzelnen in den Erwägungen seiner subjektiven Vernunft
stört. Aus dem Individualismus endlich, der in dem Begriffe des
sich selbst genugsamen Einzelnen gründet, entspringt das zu allen
Zeiten gleiche, daher geschichtslose V e r n u n f t r e c h t , das so-
genannte i n d i v i d u a l i s t i s c h e N a t u r r e c h t . Der Indi-
vidualismus ist gesellschaftlicher Atomismus. Denn die Gesellschaft
ist nunmehr keine selbständige Wirklichkeit, wirklich ist nur der
allein in sich selber gründende Einzelne. Gesellschaft ist dann nur
eine Zusammensetzung, eine Häufung, eine Summierung der Ein-
zelnen. Demgemäß ist die Gesellschaft wie die atomistisch aufgefaßte
Natur ein Mechanismus der zusammentreffenden Kräfte aller ein-
zelnen Menschen. Von Descartes bis Lamettrie und Comte geht das
Bestreben, die Wissenschaft nach den Stichworten la nature machine,
la vie machine, l’homme machine, la société machine auszubilden.
Wie die Gesetze des Zusammentreffens der Atome und ihrer Kom-
plexe in der Natur, so sind dann auch die Naturgesetze der Gesell-
schaft zu erforschen. Ein Mechanismus hat aber im strengen Sinne
keine Geschichte (Erkenntnisideal der erwähnten „Laplacischen
Weltformel“). Andererseits hat der Einzelne in seinem Vernunft-
gebrauch die Möglichkeit des F o r t s c h r i t t e s — und so denkt
man widerspruchsvollerweise auch das Geschehen in der nur als
Zusammenballung vieler Einzelner vorgestellten Gesellschaft als in
einem Fortschritte begriffen. Der naturwissenschaftliche Fortschritts-
begriff ist auch in sich selbst widerspruchsvoll. „Fortschritt“ muß
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