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c .
Der Ü b e r g a n g z u r a u ß e r g ö t t l i c h e n W e l t :
D i e G e s c h i c h t e
Noch ist der Übergang zur außergöttlichen (oben in der dritten Spalte dar-
gestellten) Welt zu gewinnen. Denn auch die angeführten Potenzen in ihrer Be-
wegung bilden nur eine reine I d e a l w e l t , die zwar nicht Gott ist, aber von
Gott nur ideal, nicht real geschieden
1
.
Gott bleibt dabei selber frei von diesem Sein und ist das Fürsichseiende. Die
Seele (in der Ideenwelt) ist reine Potenz (Aufnehmenkönnendes)
2
gegen Gott,
reine Potenz, „die das Göttliche berührt und allem anderen den Eingang in das
göttliche Seyn vermittelt“
3
. — Weil und sofern sie aber Potenz gegen Gott ist,
kann sie auch Actus gegen Gott werden (hat sie den Gegensatz der Möglichkeit
nach in sich). Als Actus ist sie abgesondert und für sich, setzt sie sich selbst, das
heißt sie wird ein zweites Prinzip, ein P r i n z i p a u ß e r G o t t .
D a d u r c h e r s t e n t s t e h t e i n ä u ß e r g ö t t l i c h e s S e i n
4
. „Durch
jene Tat wird die Ideenwelt überschritten und eine (reale) außergöttliche Welt
gesetzt“
5
; damit wird ein freies, eigenes Leben gesetzt, das „dadurch der Ver-
gänglichkeit unterworfen“ wird
6
. Die G e s c h i c h t e d e r W e l t b e g i n n t .
Dieses Sichselbstwollen der Wesen ist der
Abfall,
zugleich der Grund der
sinnlichen Erscheinungswelt, des sinnlichen Raumes.
/
Die erste Potenz ist in der Ideenwelt A
1
, in der außergöttlichen, der jetzigen
Welt des Abfalles: B. Daher B jetzt das „blinde Sein“. (Von Schelling als „B“
bezeichnet, „damit die radikale Veränderung sinnfälliger wird“
7
. B als das blinde
Sein kann es zunächst nicht zu einer Entsprechung des idealen Seins bringen,
denn es ist Ungestaltetes, ist Chaos, cuteipou, das heißt aber, es ist das n i c h t
i n d i e s e r W e i s e S e i n s o l l e n d e .
Dieser Vorgang ist nach drei inneren Teilen zu denken: (1) Der Widerstreit
der Potenzen als „Natur in Gott“ (Gleichursprünglichkeit von A
1
, A
2
, A
3
), das
Chaos; (2) das Hinzutreten des Lauteren in Gott (A
0
); (3) dadurch: rang-
mäßige Ordnung von A
1
: A
2
: A
3
: Schöpfung, Sein.
Infolge des Selbstwollens, des Abfalls, h a b e n d i e D i n g e d i e s e r W e l t
i n e t w a s i h r e n G r u n d , „ w a s i n G o t t n i c h t e r s e l b s t i s t “ .
d .
D i e G e s c h i c h t e : M y t h o l o g i e u n d O f f e n b a r u n g
D a s Z i e l d e r G e s c h i c h t e i s t : B i n d a s w i e d e r h e r g e -
s t e l l t e o d e r v e r k l ä r t e A
1
z u v e r w a n d e l n . Darnach haben wir
die ganzen Bewegungen in der vergänglichen Welt zu beurteilen. Ihr Sinn ist,
1
Schelling: Sämtliche Werke, Bd 11, S. 413.
2
„Potenz“ nicht im Sinne der 1. Spalte auf S. 43, als Möglichkeit, noch der
2. Spalte, als sich verwirklichende Möglichkeit, sondern a l s r e i n e s E r l e i d e n ,
reine Fortleitung göttlichen Seins.
3
Schelling: Sämtliche Werke, Bd 11, S. 419.
4
Schelling: Sämtliche Werke, Bd 11, S. 420 f. und 511.
5
Schelling: Sämtliche Werke, Bd 11, S. 420.
6
Schelling: Sämtliche Werke, Bd 11, S. 420, Anmerkung 1.
7
Trotzdem ist kein einheitlicher Sprachgebrauch bei Schelling. Es wird auch
schon das A
1
der Spalte II als B bezeichnet (Schelling: Sämtliche Werke, Bd 12,
S. 110 ff. und öfters).