50
[52/53]
zubilden versuchte, der tiefste, zu dem die Geschichtsphilosophie
Vordringen kann. Konnte auch die Durchführung dieses Begriffes
bei Schellings Voraussetzungen nicht gelingen, konnte auch die von
ihm versuchte Vertiefung des Gottesbegriffes nicht glücken, so hat
er doch das Ziel bezeichnet, wie keiner.
Daß auch die Nachbildung des Ganzen der Geschichte nicht ge-
lingen konnte, liegt nicht zuletzt daran, daß Schelling in der An-
nahme einer 6000jährigen (also überblickbaren) Dauer der Ge-
schichte dem Alten Testamente folgte und sich damit die Erkennt-
nis einer unüberblickbar langen Vorzeit, wie sie alle idealistischen
Philosophien lehrten, versperrte.
5. Hegel
a. Die W e l t i s t G e i s t . D i e D i a l e k t i k a l s G e f ü g e l e h r e
d e r W e l t
Hegel bringt die Grundgedanken der Schellingischen Identitäts-
philosophie in ein geschlossenes Lehrgebäude, indem er dabei auf
Fichtes strenges Verfahren, nämlich das Verfahren der Ableitung
aus der Denknotwendigkeit, wie sie in der Form der dialektischen
Entgegensetzungen vor sich geht, zurückgreift, das Lehrgebäude also
logisiert; während Schelling später immer mehr auf das Verfahren
der „intellektuellen Anschauung“ und damit auf die innere Geistes-
erfahrung statt der formalen, logischen Ab- / leitung aus Denknot-
wendigkeit hinlenkte. Die Unterschiede, welche im dialektischen
Verfahren der verschiedenen Philosophen bestehen, werden meist
nicht beachtet. Sie sind aber oft entscheidend, besonders auch im
Verhältnisse Hegels zu Schelling. Folgende Tafel, bei der man die
Verschiedenheit der Vorzeichen beachten möge, will einen Über-
blick vermitteln (siehe Seite 51).
Bei Platon und Aristoteles ist die Dialektik rein ontologisch nicht
subjektiv gefaßt. Bei Schelling ist sie ebenfalls ontologisch gefaßt
1
.
Die Lehre Fichtes von der Setzung des Ichs ist „Wissenschafts-
lehre“, Erkenntnistheorie, beginnt daher subjektiv, das heißt das
Subjekt (Ich) ist nicht als könnend gefaßt (wie bei Schelling), son-
dern als s e t z e n d , daher das positive Vorzeichen (+). Hegels
1
Vgl. oben S. 43.