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[207/208/209]

rer in der Geschichte fast immer, den Bruch weiter zu treiben als

unbedingt nötig und besonders aber, ihn formell / zu Tage treten

zu lassen. Sie leugnen formell den Bruch und vollziehen ihn im ge-

heimen. Dadurch mindern sie seine Gefahren für die Sache noch

mehr wie für ihre Person.

C ä s a r vermied es, zum formellen Umsturz zu greifen. Soweit es irgend

möglich war, blieb er bei den herkömmlichen Formen und Wirklichkeiten

und bevorzugte die langsame Umbildung. — Der K a i s e r A u g u s t u s ,

Cäsars Nachfolger, sagt in seiner von ihm verfaßten Grabschrift, dem soge-

nannten „Monumentum Ancyranum“ (lateinische Inschrift aus dem Jahre

14 n. Chr., in dem Tempel des Augustus zu Ankyra [Angora]) von sich selbst:

„ . . . aber ich übernahm kein Amt, das gegen den Brauch unserer Väter ge-

wesen wäre", und behauptet von jeder der vielen Würden und Vollmachten,

die er dort aufzählt, sie sei ihm vom römischen Volke und Senate übertragen

worden! Der unumschränkte Herrscher lehnte es ab, auch nur lebenslänglicher

Diktator formell zu werden, und entschloß sich erst sehr spät, auf Lebenszeit

die Tribunengewalt anzunehmen. In dieser Grabschrift noch schmeichelt er auf

erschütternde Weise, die den Tiefstand der Zeit grell beleuchtet, dem Pöbel

und redet immer wieder von Geldern, die er ihm gespendet. — In der De-

m o k r a t i e dagegen liegt es am Tage, daß die Umstürzler mehr zerstörenden

als aufbauenden Sinn besitzen. Die Schreckenszeit in der französischen Revolu-

tion ist ein gültiges Bild für alle demokratischen Ausbrüche. Sie sind keines-

wegs der Gipfel des Mißglückten. Denn viel ärgere Dinge werden uns von

Thukydides vom Ende des peloponnesischen Krieges berichtet.

P l a t o n verschmäht es, die Verneinung des damaligen (demokratisch-

anarchistischen) politischen Lebens durch Gegenumstürze zum Ausdruck zu

bringen. Sein Werk „Die Gesetze“ zeigt den organischen und geistig zuberei-

teten Weg.

G o e t h e , S c h e l l i n g , H e g e l , d i e R o m a n t i k e r , waren den

plötzlich-gewaltsamen Änderungen im Tiefsten ihres Inneren abgeneigt. Goethe

bekannte von sich in den Venetianischen Epigrammen:

„Alle Freiheitsapostel, sie waren mir immer zuwider;

Willkür suchte doch nur jeder am Ende für sich.

Willst du viele befreien, so wag’ es, vielen zu dienen.

Wie gefährlich das sei, willst du es wissen, versuch’s.“

C h r i s t u s selber lehnte den politischen Umsturz ab: Gebet dem Kaiser,

was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Christus lehnte auch den for-

mellen geistigen Abfall ab. Er lehrte im Tempel, er verwies, wo es ging, auf

die Schrift, auf die Propheten. Er lehrte nur das Auf- / bauende und schwelgte

nicht im Widerspruche zu dem Überkommenen. In der Bergpredigt heißt es:

„ D e n k e t j a n i c h t , i c h s e i g e k o m m e n , u m d a s G e s e t z

o d e r d i e P r o p h e t e n a u f z u h e b e n ; i c h b i n n i c h t g e k o m -

m e n s i e a u f z u h e b e n , s o n d e r n s i e i n E r f ü l l u n g z u b r i n -

gen.“

„ W e n n e u r e G e r e c h t i g k e i t n i c h t d i e d e r S c h r i f t g e -