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deren Gebieten und aus anderen Gründen ganz neue Brüche auf,
aus denen neue Spannungen folgen. Dann nehmen diese ihren Lauf
und unterbrechen die alten mitten in ihrer Entfaltung. Das ge-
schieht in Wahrheit bei allen Brüchen und Umstürzen in der Ge-
schichte, sei es im großen oder im kleinen. Man kann diese vor-
zeitige Unterbrechung der Spannungen auch die Ü b e r s t ü r -
z u n g d e r E r e i g n i s s e nennen. Jedem Politiker ist diese Er-
scheinung gar wohl bekannt. Es gehört zu seinen alltäglichsten Er-
fahrungen, daß, was heute beraten und beschlossen wird, um gege-
bene Spannungen zur Auswirkung zu bringen, morgen nicht aus-
geführt werden kann, weil mittlerweile neue Ereignisse eine neue
Lage schufen. Neue Brüche setzten neue Spannungen oder alte Ent-
faltungen trafen auf Unmöglichkeiten der Fortsetzungen. — Je
verdichteter das Geschehen, umso mehr zeigt sich diese Überstür-
zung. Beim Reichskanzler und Parteiführer mehr als beim kleinen
Beamten und einfachen Parteimitgliede, beim Feldherrn in der
Schlacht mehr als beim einfachen Krieger, beim Börseaner, den seine
fernmündlichen Nachrichten jeden Augenblick zur gegenteiligen
Richtung der Spekulation zwingen können, mehr als beim kleinen
Einzelhändler und Handwerker.
Noch sei bemerkt, daß auch die A b s t u m p f u n g u n d E r -
s c h l a f f u n g der Spannungen zur „Überstürzung“ der Ereig-
nisse, das heißt zur vorzeitigen Unterbrechung führt. Die Spannun-
gen, die z. B. im deutschen Bunde von 1815 an lagen, hatten sich
in ihrer Schlaffheit noch lange nicht ausgewirkt, als sie durch die
Gründung des Zollvereins (1833) und schließlich durch 1866 unter-
brochen wurden.
Die Unterscheidung des Fortganges der Spannungen als „folgerichtiger“ oder
als „unterbrochener“, „überstürzter“ führt uns abermals auf eine schlechthin
n i c h t - n a t u r a l i s t i s c h e G e s c h i c h t s b e t r a c h t u n g . / Darin liegt
die Bedeutung des ganzheitlichen Standpunktes, soweit wir ihn bisher zur Gel-
tung brachten. „Sprung ins Dunkle“ heißt ja nicht nur praktische Unabschätz-
barkeit der Auswirkungen von Spannungen; sondern auch, daß es dem Schöpfer-
geiste des Volkes anheim gegeben ist, was aus dem Bruche für Spannungen und
was aus den Spannungen für Taten herauszuholen seien. Der Bruch zerstört
Kräfte und läßt Kräfte verwelken. Er weckt unbekannte Kräfte, das soll heißen,
daß dem, der schafft, anheim gegeben ist, was er schafft. Ein Rahmen ist dem
Schaffenden wohl vorgezeichnet; aber auch dies dadurch, daß er einen Bruch
vorgenommen hat, was ja wieder seine eigene Tat war. Wie weit die Ganzheiten
einer Gesellschaft, wie weit ein Volk selbst die Anstöße (Impulse) aufnimmt,