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Die
B e d e u t u n g
o d e r
U m g l i e d e r u n g s m a c h t
d e r S p a n n u n g e n h ä n g t v o n i h r e r V o r r a n g -
s t e l l u n g a b .
Soll nur das Grundlegende in Erinnerung gebracht werden, so
folgt aus dem Vorrange des Geistigen vor dem Handeln: die Span-
nungen in der Gezweiung haben den Vorrang vor den / Spannun-
gen im Handeln; ferner aus dem Vorrange des Religiös-Metaphy-
sischen: die Spannungen in Religion und Philosophie haben den
Vorrang vor allen anderen geistigen Spannungen, somit vor allen
anderen Spannungen überhaupt. — Aus dem Vorrange des ver-
anstaltenden (organisatorischen) Handelns vor allem andern Han-
deln folgt: die anstaltlichen Spannungen haben den Vorrang vor
allen anderen Spannungen im Bereiche des Handelns. Endlich folgt
aus der Natur des Staates als des Höchststandes: die Spannungen in
der obersten Anstalt, im Staate, haben den Vorrang vor den Span-
nungen in allen anderen Anstalten
1
.
Prüfen wir dies an der Geschichte, so wird sich bei genauerer Zergliederung
der bedingungslose Vorrang des Religiös-Metaphysischen immer bestätigt finden.
Allerdings darf man sich die Wirksamkeit dieser Vorränge n i c h t u n m i t -
t e l b a r vorstellen, nämlich nicht so, als könnten die späteren, die nachgeord-
neten Vorränge übersprungen werden. Das will sagen: nicht unvermittelt ist
Religion vor Staat, sondern durch die Vermittlungen hindurch nach folgenden
Sätzen: Religion-Philosophie ist vor Wissenschaft; Wissen ist vor Kunst; das
Geistursprüngliche (Religion, Wissen, Kunst als Einheit) ist vor Sittlichkeit. Der
sittlich gefestigte Geist erst ist vor dem veranstaltenden Handeln, besonders vor
dem Staate (aber auch vor der Kirche und den anderen ständischen Anstalten).
In dieser Leiter von Vorrängen, in der nichts übersprungen werden darf, liegt
die entscheidende geschichtliche Tatsache: daß die Religion nicht „selbst“, nicht
als solche die nachgeordneten organisatorischen Gebilde, besonders den Staat,
bestimmen kann. Erst durch Vermittlungen, erst durch Wissen, Kunst und Sitt-
lichkeit hindurch macht sich der Vorrang der Religion vor dem Staate geltend!
Denn daß der Glaube durch ein Wissen, daß der glaubend-wissende Geist durch
Gestaltung (Kunst) erst sich selbst findet, und daß der glaubend-wissend-gestal-
tende Geist in der Sittlichkeit sich ausbildet, festigt, vervollkommnet und kon-
kretisiert — das e b e n i s t d e r W e g d e s G e i s t e s , d e r n o t w e n -
d i g e i n n e r e S c h ö p f u n g s g a n g d e s G e i s t e s . Wenn nun inner-
halb der Wissenschaft, innerhalb der Kunst, innerhalb der Sittlichkeit Fehlum-
gliederungen erfolgen, so wird damit die Durch- / Setzung des Vorranges des
Religiösen selbst in Mitleidenschaft gezogen und je nach Maßgabe der Fehler
1
Die Begründungen für alle diese Stäze siehe in meinen Büchern: Gesell-
schaftslehre (1914), 3. Aufl., Leipzig 1930, S. 354, 478 und 521 ff. [4. Aufl., Graz
1969, S. 425, 568 und 615 ff.]; Gesellschaftsphilosophie, München und Berlin 1928,
S. 74 ff. und 110 ff. [2. Aufl., Graz 1968, S. 117 ff. und 173 ff.].