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Blute. Und von allen großen metaphysischen Denkgebäuden ist die
läuternde Kraft des Leidens gepriesen worden. „Das schnellste Roß,
das Euch trägt zur Vollkommenheit, ist Leiden“ sagt Meister Ecke-
hart. Indessen, noch nicht Leiden als solches läutert, sondern nur
jenes Leiden, das aus vorwärtstreibender Spannung kommt. Darum
sind auch ein Mensch, ein Volk, eine Zeit nicht um so besser, je mehr
Leiden sie dulden müssen. Es gibt auch ein stumpf machendes, nur
äußerlich ertragenes Leiden, ein Leiden, unter dem man zusammen-
bricht. Aber je mehr solches Leiden, das aus lebendigen / Spannun-
gen kommt, ein Mensch, ein Volk, eine Zeit kraftvoll auf sich neh-
men konnte, um so mehr sind diese Spannungen fruchtbar gewor-
den, um so mehr Kräfte wurden durch die Spannungen in den Völ-
kern erweckt. Wieder ist es der große Führer, der auch im Leiden
seinem Volke vorangeht. Je mehr Größe, um so mehr Fähigkeit,
Leid zu tragen und es fruchtbar zu machen.
Nicht zuletzt beruht die geschichtliche Größe eines Volkes dar-
auf, im düsteren Unglück auszuhalten, durch Unglück in Spannung
versetzt zu werden und diese höchsten Spannungen schmerzlichster
Art standhaft zu ertragen! Die römische Geschichte ist voll solcher
Bilder der Standhaftigkeit. Als Hannibal vor den Toren stand, ret-
tete sich Rom durch die Kraft zum Leiden. Die Römer zerbrachen
nicht unter der übergroßen Spannung, sondern ließen von ihr neue
Kräfte in sich erwecken. Die Ostgoten unter Totila und Teja ge-
wannen dadurch unsterblichen Ruhm, daß sie vor dem drohenden
Untergange nicht zusammenbrachen, sondern in Spannung verblie-
ben bis zum Untergang.
Zur Spannung gehört das Leid. Die Spannung und ihr Leid sind
die mächtigste vorwärtstreibende Kraft in der Welt. A b e r
n i c h t d u r c h L e i d , S p a n n u n g , B r u c h u n d S ü n d e
s e l b s t g e h t d i e W e l t w e i t e r . Denn die ursprüngliche,
reine Schöpferkraft der Umgliederung ist es allein, welche alles vor-
wärtstreibt, welche durch Unvollkommenheit nicht vernichtet wird,
sondern in Form der Spannung ihr Werk fortsetzt und die ihr inne-
wohnende Vollkommenheit wieder gewinnen will.