Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6444 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6444 / 9133 Next Page
Page Background

290

[326/327]

III.

Bemerkungen über die Grundgestaltungen

des Umgliederungsganges

Der Vollkommenheit nach geht der Weg des Geistes in der Zeit

von außen nach innen und zuletzt in das Innerste. Dieser Weg ist

überall der wesensgemäße, gleichgültig, welche Be- / gabungen

auch vorhanden sein mögen. Am leichtesten und notwendigsten

bietet er sich aber dar, wenn die hohen Stufen des Geistes die

begabten und entwicklungsfähigen sind. Jedoch ist er auch dem im

höheren Geistesleben Unbegabten und mehr in der Sinnlichkeit

Lebenden nicht verschlossen, wie z. B. die Seelsorge und das reli-

giöse Leben zeigen.

Wo dieser Weg g e r a d e gegangen wird, ist die erste und höch-

ste Grundgestalt des Umgliederungsganges damit bezeichnet. Er

geht durch die Welt hindurch, wie ihn das Brahmanentum fordert:

Jüngerschaft, Hausstand des Brahmanen, Waldeinsamkeit. Wird er

unter Umgehung der Welt gegangen, dann wird das Heil der Seele

von den allgemeinen Zwecken des Lebens zu sehr getrennt und die

Weltarbeit nicht getan. Wir sind aber dazu bestimmt, durch diese

Welt hindurchzugehen.

Ein andrer Punkt ist, auch wirklich diejenigen Begabungen (vor-

ausgesetzt, es handelt sich nicht um wesenswidrige) zu entfalten, die

man hat, und nicht diejenigen, die man sich einbildet. Erkennt man

seine wahren Begabungen von Anfang an, dann kann man unbeirrt

den Weg der Entfaltung gehen und mittelst desselben die Richtung

des ersten Weges, der Entwicklung nach innen, nehmen. Wie schwer

das für viele ist, zeigt das Beispiel Goethes, der seine Begabung als

Maler überschätzte. Streiten sich nicht so eng verwandte Begabungen

wie Dicht- und Malkunst, sondern z. B. neben der Kunst auch solche

des Handelns und der Sinnlichkeit, so sehen wir eine Vergeudung

der Entfaltungskräfte, die verhängnisvoll werden kann und schließ-

lich das Bild des zerrissenen Menschen zurückläßt, wie es zum Teil

Kierkegaard und der Dichter Lenz zeigen. Der Kampf zwischen der

beschaulichen und der tätigen Begabungsrichtung erfüllt die Geschichte

vieler großer Menschen (Leonardo da Vinci, Leibniz, Fichte). Die

Vielseitigkeit der Begabungen in eine harmonische Ganzheit der Ent-

faltung zu bringen ist eine Aufgabe, die nicht leicht zu lösen ist und

an der gerade die Hochbegabten zu scheitern drohen.

/