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terie verstehen
1
. Die Materie sei eigentlich, so sagt Platon, das
N i c h t s e i e n d e oder wenigstens das verhältnismäßig Nicht-
seiende — sie habe nichts Wahres in sich, sei also nur, insoferne
sie die Ideen aus einer geistigen Welt in sich aufgenommen habe
und ihnen ähnlich wurde
2
. Sie sei ein Unbestimmtes
3
und es
liege in ihr eine Art von Widerstand gegen die Aufnahme der
göttlichen Idee
4
. — Ähnlich die Lehre von Stoff und Form bei
A r i s t o t e l e s .
Diese Ansicht vom Wesen der Materie können wir im Sinne
unserer Begriffe der Verräumlichung insoferne bestätigen, als
in der Verräumlichung das verhältnismäßig Getrennte, daher
Unbestimmte, daher Nicht-voll-Seiende liegt; wir können auch im
Sinne des Begriffes der Gezweiung höherer Ordnung das Wider-
spenstige des Stoffes gegen die Lebensverbindung feststellen. /
Jedoch ist unseres Erachtens den Platonischen Bestimmungen
der Materie noch etwas sie Zusammenhaltendes, ja etwas sie in
sich selbst G e s t a l t e n d e s hinzuzufügen. Denn fehlte der
anorganischen Natur selbst alle und jede eigene Gestalt, dann
vermöchte sie auch nicht A u f n e h m e r i n der Ideen, das
heißt des Geistes, zu werden. Wir erkannten dieses Gestaltende,
zur Aufnahme Vorbereitende namentlich in der Rückbezüglich-
keit (Rückverbundenheit). Und schon darin: daß ein Vorräum-
liches den Weg zum Räumlichen nimmt, liegt Selbstgestaltung;
und in dieser wieder, als zielbestimmtem Geschehen, liegt Ge-
schichte.
In allen diesen Bestimmungsstücken, ferner aber auch in der
Logik der Setzungsfolgen, den Vorrängen; ebenso in der Gegen-
seitigkeit, das ist dem zum Begriffe der Materie unentbehrlichen
Miteinander dieser Setzungen
5
; endlich in der Dinglichkeit über-
haupt liegt zugleich etwas Geschichtliches, weil Gerichtetes,
Einmaliges.
/
1 Platon: Sophistes, 240 c.
2
Platon: Timaios, 52.
3
Platon: Philebos, 23 b ff. und 27
4
Platon: Timaios, 56 c.
5
Siehe oben S. 161 ff.