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Der Übergang in die andere, die räumliche Seinsebene ist

allerdings auch hier das irrationale Merkzeichen des Geschehens.

Betrachtet man diese drei Möglichkeiten — die übrigens mit

den drei Gunas der altindischen Lehre auffallend Zusammen-

gehen — näher, so zeigt sich, daß sie einander nicht ausschließen,

sondern, unter Vorwalten der letzten Möglichkeit, miteinander

bestehen können.

Für die e r s t e M ö g l i c h k e i t , den inneren Zwiespalt,

spricht manches in der Natur, das wir an ihrem irdischen Bilde

nicht übersehen können. Wenn überhaupt, dann eröffnet sich

uns von hier aus ein Verständnis für das Titanische der Natur,

das Wüten gegen sich selbst, das Vernichtende, Maßlose, das

von ihrem Bilde nicht zu trennen ist. In furchtbaren Gewittern,

Wolkenbrüchen, Sturmfluten, Bergstürzen, Erdbeben, Aus-

brüchen feuerspeiender Berge; ferner in allem Formlosen sehen

wir solche titanisch-selbstvernichtende Züge. Sie sind uns ja

auch im Leben des Geistes, wo Feindseligkeit und Irrung überall

auftreten, nicht unbekannt. In solchen Zügen der Natur finden

wir das maß- / und bestimmungslose Sein wieder, welches

Platon und die Pythagoräer das Unbegrenzte oder Formlose,

Apeiron (

άπειρον

, mythisch: Chaos) nannten und dem sie das

Peras (

πέρας

, Maß, Begriff) entgegensetzten.

Wohl muß diese Zwiespältigkeit tiefe Wurzeln in der Natur

haben; doch kann uns das Apeiron (Chaos) nicht das Uranfäng-

liche, das heißt kein selbständiges Prinzip sein, vielmehr nur

Zeuge eines der Natur einwohnenden Zuges zur Entartung, eines

Außersichgeratenseins, des dunklen Grundes des Panischen

Schreckens. Es wäre Aufgabe einer über die Naturphilosophie

hinausgehenden Metaphysik, diese Hintergründe aufzuklären.

Denn die Natur ist kein in sich beschlossenes Wesen!

Das Ganze der Natur ist aber damit noch nicht verständlich.

Denn der Satz „Der Streit ist der Vater aller Dinge“ gilt in der

Natur so wenig allgemein wie im Geistesleben. Der Krieg ist

ja nur auf dem Grunde und mit dem Ziele des Friedens, des

fruchtbaren Miteinanderseins, eine bildende Macht.

Auch für die z w e i t e M ö g l i c h k e i t spricht manches in

der Natur, das aus ihrem Bilde ebenfalls nicht wegzudenken ist.