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Die Heiligkeit der Natur, die vom Schöpfer zeugt, spricht
aus Goethes „Die Sonne tönt nach alter Weise. . u n d aus
Beethovens hochgestimmtem Jubelchor:
„Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre,
Ihr Schall pflanzt seinen Namen fort.
Ihn rühmt der Erdkreis, ihn preisen die Meere;
Vernimm, o Mensch, ihr göttlich Wort!“
(Geliert)
Manches Gloria und Sanctus in Mozarts und unserer anderen
großen Meister Messen nimmt die göttliche Majestät der Natur
zum Ausgangspunkte.
Gerade infolge des Vermittelten der Sinnbildlichkeit der
Natur gibt es auch viele andere weniger tief geschöpfte Sinn-
bilder. So sagt Schiller in den „Philosophischen Briefen“ (1786):
„Lebhafte Tätigkeit nennen wir Feuer; die Zeit ist ein Strom ... ;
die Ewigkeit ist ein Zirkel; ein Geheimnis hüllt sich in Mitter-
nacht, und die Wahrheit wohnt in der Sonne.“ Auch durch diese
Sinnbilder fühlen wir die fernen Entsprechungen hindurch.
Wird das organische Leben zu Hilfe genommen, dann stellen
sich unzählige andere Sinnbilder ein: Dann ist z. B. der Früh-
ling mehr als ein bloßes Sinnbild der Liebe. Er entspricht nicht
nur der Liebe, er ist sie selbst. So bei Eichendorff:
„Übern Garten durch die Lüfte
Hört’ ich Wandervögel ziehn,
Das bedeutet Frühlingsdüfte,
Unten fängt’s schon an zu blühn.
Jauchzen möcht' ich, möchte weinen,
Ist mir’s doch, als könnt’s nicht sein!
Alte Wunder wieder scheinen
Mit dem Mondesglanz herein.
Und der Mond, die Sterne sagen’s ..."
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Tiefgeschöpfte sinnbildliche Wahrheiten bergen die alten
Mythologien („Mutter Erde“ und viele andere).
Das Vermittelte aller Sinnbildlichkeit der Natur spricht wieder
Eichendorff am treffendsten aus: