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und den Sternen, die alle nicht rein mathematisch aufgehen
können. Urnatur zeigt sich in aller Naturschönheit und Natur-
gestalt. Das Wesen der Naturmächte, der immateriellen Wurzeln
der stofflichen Welt, leuchtet uns auf in der Schönheit. Die
schönen Gestalten der Natur sind mehr als Erscheinung mathe-
matischer Verhältnisse. Über Gleichmaß und Einklang von
Größen hinaus ist die Naturschönheit Darstellung eines Großen,
Wesenhaften, sie ist Darstellung der Weltseele.
In der Schönheit des Kristalls, des Gebirges, der Seen, Meere,
des Morgen- und Abendhimmels, der Wolken, der Lichter und
Farben, des Alpenglühens, der Nachtgestirne, im Tönen und
Brausen der Stürme, Bäche, Ströme, Brandungen, in allem
Glanze, Klang und Duft der Natur — überall stellen sich We-
senheiten dar, die selber leuchten und sehen, hören und tönen,
Kraft aufwenden und empfinden und darum schön sind. Zur
Naturschönheit gehören nicht nur gewisse äußere Abmessungen,
sondern auch die äußeren Naturbeschaffenheiten, aus deren
innerem Grunde der Rausch der Weltseele spricht.
Das Innewerden des Schönen in der elementaren Natur ist
ein Bewußtsein ihres idealen Grundes, ihres Zusammenhanges
mit dem tiefsten Wesen unseres Geistes.
Schönheit und Gestalt stammen aus einem künstlerischen
Grunde in der Natur.
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Eine Physik, welche der Schönheit keinen Platz in der Natur
anweisen kann, ist grundsätzlich fehlerhaft.
Freilich ist Natur als Künstlerin etwas anderes als der
menschliche Geist und der organische Leib als Künstler. In Geist
und Leben ist geistige und organische A u s d r u c k s g e s t a l t ,
das will sagen, die Gestalt ist hier Ausdruck des Geistigen und
Organischen. In der elementarischen Naturgestalt dagegen, in
Kristall und Gebirge, Woge und Himmel spricht der Weltgeist,
die Weltseele selbst, ist die Weltseele als Künstlerin am Werke,
nicht der denkende Geist.
Nicht nur aus dem Schönen, auch aus dem U n v o l l k o m -
m e n e n , j a W e s e n s w i d r i g e n , Zweideutigen der Na-
tur spricht etwas, was uns auf Urnatur hinweist. Denn wie auch
der Irrtum auf logische Denkkraft deutet und nicht auf das
Fehlen jeglicher Denkfähigkeit, so deutet die Trübung des