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u r s p r ü n g l i c h sind. Sie sind als das Ursprünglichste m i t -
e i n a n d e r , a l s d i e U r g e z w e i u n g v o n Gott geschaffen und
als die Grundreiche der Welt in sich bestimmt, aber aufeinander hin-
geordnet
1
.
Ein einprägsames Symbol dieser Hinordnung ist Spann die „Sym-
biose zweier Lebewesen“, aus der sich gleichsam ein „Individuum
höherer Ordnung“ ergibt, wie zum Beispiel jene, durch die Pilz und
Alge in der Flechte eine natürliche untrennbare Verbindung eingehen,
„die sich als solche fortpflanzt und eine eigene charakteristische Ge-
stalt hat“
2
. Spann weiß aber auch um den bloß analogen Charakter,
um die Begrenztheit solcher Symbole.
Geist ist auf Natur hingeordnet, um sich in ihr auszudrücken; Natur
ist auf Geist hingeordnet, um in ihren räumlichen Gestalten Sinn-
gebilde zu verkörpern und um im Lebendigen mit dem Geist in eine
Verbindung höherer Ordnung einzugehen.
Mit der Feststellung dieser Hinordnung ist aber nicht gesagt, daß
Natur ohne Geist und geistige Ordnung nicht bestehen könnte, wohl
aber, „daß beide Seinsordnungen als Gesamtganze aufeinander hin-
geordnet sind“ und daß sie daher als Gesamtganze ohne diese Hin-
ordnung nicht s o bestünden, wie sie bestehen
3
.
Die Verbindung von Natur und Geist, die Spann die „Gezweiung
höherer Ordnung“ nennt, prägt sich im organischen Leben der Pflanzen-
und Tierwelt und am deutlichsten am menschlichen Leib aus
4
.
Die Anerkennung des Eigenseins der Natur scheidet Spanns Natur-
philosophie von der des von ihm so hochgeschätzten Schelling
5
. Es ist
Spanns grundlegende Überzeugung, daß Natur eine eigene Ordnung
mit eigenen Prinzipien ist, die ihre „Bestimmungen und Gliederungen
in sich selbst besitzt“ und nicht erst vom Geist empfangen hat®. Daher
konnte es dem fünfzigjährigen Bemühen des großen Schelling nicht
gelingen, die Identität von Natur und Geist zu erweisen, und darum
konnte auch der aristotelische Ansatz, den Stoff, die ύλη als das
schlechthin zu Bestimmende, bloß Passive, bloß Mögliche zu fassen,
nicht zum Erfolg führen, denn die Natur, die stoffliche Welt, besitzt
schon ihre eigenen Ordnungsstrukturen und Bestimmtheiten. „Sie
kommt nicht als Bettler zum Geiste, sie schwelgt in eigenem, nicht
erborgtem Reichtum
7
.“
Als grundlegende Ordnungszüge der Natur erkennt Spann: Zeit-
lichkeit, Räumlichkeit und Stofflichkeit, denn diese „sind allen Natur-
erscheinungen eigen“
8
.
1
Der Schöpfungsgang des Geistes, S. 188.
2
Der Schöpfungsgang des Geistes, S. 189.
3
Der Schöpfungsgang des Geistes, S. 194.
4
Der Schöpfungsgang des Geistes, S. 194.
5
Der Schöpfungsgang des Geistes, S. 432.
6
Der Schöpfungsgang des Geistes, S. 432.
7
Der Schöpfungsgang des Geistes, S. 433.
8
Naturphilosophie, S. 34.