Das Schicksal straft die Menschen zuweilen auch mit der Erfül-
lung ihrer Wünsche — die gegen die Religion kämpften, finden sich
nun selbst in den tiefsten Abgrund hinabgestürzt, in die Glaubens-
losigkeit! Hier sehen sie sich bald dem Nichts preisgegeben und
keinen Weg, der zum Licht führte.
Dem neuzeitlichen Menschen sind infolge seiner naturalistischen
Einstellung die Religionen nur naive, der heutigen Naturwissen-
schaft und der nüchternen Vernunft widersprechende Versuche, sich
der Gottheit zu nähern. Er nimmt wohl nicht am Glauben an Gott,
aber so ziemlich an allen anderen Gestaltungen der Religion, beson-
ders des Christentums, Anstoß. Er meint sich über alles, was ihm
anstößig dünkt zu erheben, wenn er das Religiöse wissenschaftlich
betrachtet.
Gerade diese tiefere Besinnung würde ihn aber lehren, daß die
höchsten Begriffe aller Religiosität einer inneren Notwendigkeit
und Folgerichtigkeit entspringen: Es sind ewig gültige Bestim-
mungen, von welchen die Religionen durchdrungen und gestaltet
sind, innere Urnotwendigkeiten, Urkategorien, welche sich an allen
Religionen von der Urzeit bis zur Gegenwart, vom Fetischismus bis
zum Christentum zeigen.
Religion ist Rückverbundenheitsbewußtsein. Liegt es da nicht im
Wesen der Sache, daß der Vollzug dieses Bewußtseins stets grund-
sätzlich gleiche Wege gehe, stets von gleichen Grundgestaltungen,
gleichen Urbegriffen, Urweisen oder, wie wir auch sagen wollen,
von gleichen Kategorien bestimmt sein müsse? Jedes religiöse Be-
wußtsein hat zuletzt das gleiche Ziel, daher auch gleichartige Mit-
tel und Wege. Mag das reale Verhältnis des menschlichen Geistes zu
Gott in seinen geschichtlichen Formen / noch so vielgestaltig und
bunt, noch so umrankt, entstellt und dadurch von den mannig-
fachsten Verwandlungen begleitet sein: als Verhältnis des Ausge-
gliederten zum Rückverbindenden, des Menschen zu Gott, muß es
in seinem innersten Gefüge überall dieselben Urbegriffe, dieselben
Grundgestalten zeigen.