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Unsterblichkeitsglaube auch da noch eine selbstände Quelle religiöser

Konkretisierungen.

In der christlichen Religion wird die naturalistische Folgerung

vermieden, wodurch aus der mystisch erlebten Gottverwandtschaft

der Seele die Verstorbenen selbst zu Göttern oder Gott würden,

das heißt der Unterschied von Schöpfer und Geschöpf nicht gewahrt

bliebe. Die Lebenden können daher dem Christentum nach auch

nicht von Göttern oder Gott leiblich abstammen (wie bei den Hei-

den), wie auch die Gemeinschaft derer, welche um eine bestimmte

Ahnenreihe geschart sind, hier nicht dieselbe Bedeutung erlangen

kann, wie in der heidnischen Religiosität; weshalb endlich auch die

Autorität und Verehrung der Eltern nie denselben Grad erreichen

kann, wie zum Beispiel bei den Chinesen. Aber dennoch ist die

Bedeutung des Verhältnisses zu den Toten auch im Christentum

nicht gering. In der katholischen Religion bezeugen das außer

den Begräbnisfeierlichkeiten: die Totenmessen, die Gebete für die

Toten, das Allerseelen- und Allerheiligenfest, die Lichter auf den

Gräbern und anderes mehr; in der protestantischen Religion sind

ebenfalls die Begräbnisfeierlichkeiten, das Allerseelenfest, die Gebete

für die Toten und die Gräberverehrung ein Zeugnis dieser Macht

der Toten. /

Die Totenverehrung begründet demnach überall einen konkreten

K u l t u s , welcher Teil des Ganzen der Religion ist.

Der Indologe Friedrich Max Müller sagt, nachdem er die altindischen Ahnen-

opfer schilderte und die christlichen Gottesdienste am Allerheiligen- und Aller-

seelentag „in südlichen Ländern“ (das heißt bei den Katholiken) erwähnte: „Wir

im Norden haben eine Abneigung gegen die öffentliche Bekundung unseres

Schmerzes, aber... es könnte eine höhere Wahrheit, als wir anfangs denken,

in dem Glauben der Alten zu liegen scheinen, daß die Seelen unserer Lieben

uns keine Ruhe lassen, ehe sie selbst durch unsere täglichen Gebete oder besser,

unsere täglichen, zu ihrem Gedächtnis getanen guten Werke Frieden gefunden

haben“

1

.

Zusatz über die Lehre von mehreren Seelen des Menschen

Zum Verständnis der geschichtlichen Formen des Unsterblich-

keitsbewußtseins und des Ahnendienstes ist es nötig, sich der in

alter Zeit durchaus herrschenden Unterscheidung mehrerer Seelen

1

Friedrich Max Müller: Indien, deutsch von Carl Capeller, Leipzig 1884,

S. 209.