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des Menschen zu erinnern. Der Ursprung dieser Lehre liegt in der
mystischen Erfahrung. Statt alles weiteren erinnern wir nur an
Meister Eckeharts klare Unterscheidung der „ S e e l e n k r ä f t e “
v o m „ S e e l e n g r u n d " oder dem „Fünklein“. Dieses bleibt in
Gott inne während der Mensch auf Erden weilt
1
.
Diese Unterscheidung nun, welche einfach und unmittelbar eine
allgemeine mystische Erfahrung ausspricht, nahm von altersher in
den Religionen e x o t e r i s c h e Formen an, dadurch, daß Seelen-
grund und Seelenkräfte je für sich zu selbständigen Wesen, eigenen
Seelen wurden. Die höhere Seele, der Kern des menschlichen Wesens,
der Seelengrund, vermochte Gott zu berühren, war der göttliche
Teil des Menschen, sein Ur-Ich, der platonische νούς, der intuitive
(die Ideenwelt berührende), schöpferische Verstand (intellectus
agens des Aristoteles und der Scholastik); die niedere Seele bildeten
die Kräfte, vom diskursiven mit sinnlichem Material arbeitenden
Verstand, bis zum Sinnlich-Leiblichen, Empirischen. — Wir sehen
hier davon ab, daß von den höheren Kräften bis zum Leib noch
verschiedene Hypostasen eingeschoben werden konnten, wodurch
unter anderem bei den Indern m e h r a l s z w e i Seelen entstan-
den und sich z. B. die / „vegetative Seele“ des Aristoteles, des Platon,
der Neuplatoniker (neben den empfindenden und höheren Seelen-
kräften) ergab.
Religiös bedeutsam ist diese Unterscheidung zweier Seelen erst,
wenn beide so verselbständigt werden, daß man ihnen nach dem
Tod getrennte Schicksale zuspricht. Ja, diese Unterscheidung ist
dann der Schlüssel für viele, sonst rätselhafte Lehren der alten
Religionen.
Dafür nur einige Beispiele.
In der Odyssee (XI, 602 ff.) wird von Herakles gesagt, es weile im Hades —
was Aides, der Unsichtbare, bedeutet — nur sein „Eidôlon“, Bild, Schatten, das
heißt in Wahrheit seine sinnliche Seele; dagegen: „er selber im Kreise der
unsterblichen Götter erfreut sich der Fülle...“; das heißt sein wahres Ich, der
Seelengrund ist bei Gott „dô was ich darin“. Es versteht sich, daß dies min-
destens auch für alle anderen Helden, denen mystische Ausbildung zukommt
2
,
gilt z. B. Achilles, wahrscheinlich aber für alle Menschen, wenn es auch Homer
1
Siehe oben S. 61 ff.: „Meister Eckehart, wann ginget Ihr aus dem Hause? —
Dô was ich dâ inne, immer war ich darin“, angeführt bei Franz Pfeiffer: Meister
Eckhart, Leipzig 1857, S. 181, Zeile 7.
2
Siehe unten S. 235 ff.
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