Table of Contents Table of Contents
Previous Page  7132 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 7132 / 9133 Next Page
Page Background

210

[189/190]

Hier werden die Gottheiten als potentiell in der Urgottheit ent-

halten gedacht. Und wir dürfen hinzufügen: ganz im Sinne der

platonischen I d e e n l e h r e , nämlich Wesenheiten, Mächte als

Manifestationen oder vielleicht sogar als Gedanken Gottes, wodurch

der Monotheismus mit dem Polytheismus zu vereinigen gesucht

wird. In der Chândogya-Upanischad (IV, 13, 7) wird der e i n e

Gott die „Seele der Götter“ genannt.

Wie die Ableitung der in der Welt wirkenden Teil-Gottheiten

aus dem Ureinen geschieht, zeigt sich hier am klarsten: Zuletzt

vermag die wahre Mystik nur einen Weg zu beschreiten, den /

über das menschliche Selbst, den Geist, und zwar natürlicherweise

vermittels der mystisch-religiösen Kategorien, besonders der Gott-

verwandtschaft, Unsterblichkeit, Erlösung. Die Natur dagegen

kommt erst in zweiter Linie.

Wir lassen vorerst die Hymnen des Veda selbst sprechen. Sie

geben eine Kosmogonie und Theogonie.

„I. Nicht das Nichtseiende war, nicht das Seiende war damals, nicht war der

Dunstkreis, nicht der Himmel, welcher darüber (ist). Was bewegte sich? Wo? In

wessen Schutz? War das Wasser eine unergründliche Tiefe?

II. Nicht der Tod war, nicht Unsterblichkeit damals, nicht war die Erschei-

nung von Tag und Nacht. Das Eine atmete vom Winde nicht bewegt aus eigener

Kraft, nicht etwas anderes als dieses gab es weiter.

III.

Dunkel war in Dunkel gehüllt; unerkennbar war am Anfang alles dies,

Wasserflut. Das Ungeheuere, das eingeschlossen war in dem leeren Raum, dies

allein entstand durch die Macht des Tapas (wörtlich Hitze, das ist die Versen-

kung, Konzentration im Yoga).

IV.

Der Wille zuerst entstand in ihm; dies war der erste Samenerguß des

Geistes. Die Verwandtschaft des Seienden fanden im Nichtseienden die Weisen

mit Einsicht, im Herzen darnach geforscht habend (das ist durch Konzentration,

tapas).

V.

Ihre querüber ausgespannte Schnur (die Meßschnur), war sie wohl unten

oder war sie oben?

VI.

Wer weiß es fürwahr, wer möchte es hier verkünden, woher entstand,

woher diese Schöpfung? durch seine Emanation sind die Götter herwärts (gekom-

men); wer weiß nun, woher sie entstanden ist?

VII.

Diese Schöpfung, von dem sie entstand, ob er sie geschaffen oder ob nicht

— der sein Aufseher ist im höchsten Himmel, er nur weiß es, oder sei es, daß

er es nicht wisse“

1

?

Ähnlich heißt es an verschiedenen Stellen der Upanischaden, z. B.: Taittyria

Upanischad II, 6, 1: „Er wünschte: Viel möge ich sein, möge ich zeugen.“ „Er

erhitzte das Tapas; das Tapas erhitzt habend, erschaut er alles dies, was nur im-

1

1

Lucian Scherman: Philosophische Hymnen aus der Rig- und Atharvaveda-

Sanhitä mit den Philosophen der älteren Upanishads, Straßburg 1887, S. 1 f.