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schen Glauben zur Seite: „Im Kult des mexikanischen Gottes Xipe-Totec findet

sich folgende eigenartige Opferhandlung: Xipe-Totec, „unser Herr, der Geschun-

dene“, wie er in dem alten Hymnus heißt, ist der Frühlingsgott, der Gott der

jungen aufsprießenden Vegetation. Am Fest der Aussaat wird unter gewissen .. .

Zeremonien das Menschenopfer dargebracht, und dann zieht einer der opfernden

Priester die Haut des Geopferten an und schreitet, in die Haut des Geopferten

gehüllt, über das eben besäte und bestellte Maisfeld.

Daß wir es in diesen beiden Fällen mit einer jener Opferhandlungen zu tun

haben, zu denen sich in vielen anderen Religionen ähnliche, von Frazer und

Mannhardt gesammelte Beispiele von Vegetationsbefruchtungsriten magischer Art

finden, durch welche die sterbende und wiederauflebende Gottheit der Saat dar-

gestellt wird, ist bekannt. Ebenso ist bekannt, daß der Gott Xipe-Totec durch

das sacrificio gladiatorio verehrt und daß dieses Opfer in Form eines Kampfes

dargebracht wurde. Der zu Opfernde war ein auf einer Ringscheibe (temalacatl)

angebundener Gefangener, der sich nur mit hölzernen Waffen gegen die scharfen

Waffen seiner Opfer wehren konnte, bis man ihn niederschlug und mit Wurf-

speeren erschoß. In diesem Ritus erblickt man die Darstellung der Zubereitung,

der Ritzung der Erde für die Aufnahme der Saat, und ihre Fruchtbarmachung

wurde durch das strömende Blut dargestellt. Das Anziehen der Haut bedeutet

die Bekleidung der Erde mit neuer Vegetation. Das Magische bei diesem Opfer-

ritus im Kult des Xipe-Totec ist deutlich dadurch hervorgehoben, daß dieser Gott

nicht nur mit der überzogenen Menschenhaut, sondern auch meistens mit dem

Rasselstab, chiautatzli, dargestellt wird, das ist dem Zauberinstrument, wodurch

etwas kräftig gemacht wird, das auch aus Indien und sonst bekannt ist“

1

.

Ob nun diese Erklärung Andres’ als richtig zu gelten habe oder

nicht, so viel ist klar, die Grundlage dieser und ähnlicher Opfer-

bräuche ist eine irregeleitete, veräußerlichte und dämonisierte Magie.

H.

Die A b k e h r d e r h ö h e r e n R e l i g i o n e n v o n d e r

M a g i e

Weil die Magie Quelle so vieler Entartungen ist, sehen wir in

allen höheren Religionen ein entschiedenes Bestreben der Abkehr /

von ihr. Will eine höhere Religion den magischen Ritualismus aus-

scheiden, so muß sie die Magie verbieten.

Bezeichnend ist jedoch, daß es in keinem einzigen Fall zu einer

vollkommenen Ausmerzung der magischen Elemente kommt —

nicht einmal, um das gleich vorwegzunehmen, im christlichen Pro-

testantismus, welcher z. B. in der Engellehre ein polytheistisch-ma-

gisches Element beibehielt, und zwar, wie man sagen muß, zu sei-

nem Vorteil. Das magische Element ist eben für die Konkretisierung

1

Friedrich Andres-Bonn: Buphonia-Opfer und Opfer im Kulte des Xipe-

Totec, in: Festschrift für Professor Wilhelm Schmidt, Wien 1928, S. 175 f.