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Passage durch die Fixsternregion des Tierkreises Tierleiber annehmen und in
Raben, Adlern, Falken und endlich Löwen geboren werden, worauf (infolge der
Passage durch die Planetensphären) ihre Geburt in menschlichen Leibern als „Ver-
borgener“, „Soldat“, „Sonnenläufer“ und endlich „Vater“ [das sind weitere My-
stengrade] erfolgen sollte. Während diese Metapsychosen die Uneingeweihten un-
bewußt durchmachten und infolge der siderischen Schicksalsnotwendigkeit auch
durchmachen m u ß t e n , hat man in den Mysterien des Mithras die Mysten diese
Seelenwanderung b e w u ß t erleben lassen, und zwar das Eingehen ihrer Seelen
in Raben, Falken, Adler, Löwen und dann in Verborgene und Soldaten in Teil-
einweihungen, während die Weihe zum Sonnenläufer und endlich zum Vater der
Hauptweihe Vorbehalten war .. .“
1
.
Daß auch die j a h r e s z e i t l i c h e n N a m e n , welche noch heute so viele
Menschen haben — Winter, Sommer, Lenz, Herbst, wahrscheinlich gehört hierher
auch Grimm (Winter) und Fröhlich (Lenz) — auf heilige Spiele zurückgehen,
kann nach den früher über Entsprechungen und Riten angeführten Beispielen
nicht zweifelhaft sein
2
. Die Eigennamen spiegeln nicht nur die Gesellschafts- und
Berufsgeschichte eines Volkes (Siedler, Bürger usw.) wider, sondern vor allem
seine heilige Geschichte.
F.
M ä n n l i c h e u n d w e i b l i c h e G o t t h e i t e n
Die Unterscheidung von Göttern und Göttinnen ist nicht nur
aus der Analyse der Wirklichkeit genommen, welche männlich und
weiblich vorfindet, sondern sie hat unseres Erachtens auch eine my-
stische Wurzel.
In den Übungen, die zu ekstatischen Zuständen führen, später
ebenso in den Geistes- und Naturkräften, wird Setzen und Emp-
fangen, Spontaneität und Rezeptivität unterschieden, ein männliches
und ein weibliches Prinzip ist überall nötig. Ist nun einmal die
polytheistische Denkweise ausgebildet, so werden beide Prinzipien
auch in die Gottheit verlegt und demgemäß Gottvater und Gott-
mutter unterschieden, weiterhin männliche Götter und weibliche
Göttinnen. In der kosmischen Welt selbst gelten Sonne und Mond,
da sie den Himmel beherrschen, als Vertreter dieser Prinzipien der
höchsten Gottheit, und zwar die Sonne männlich, die Mondgottheit
weiblich, ebenso der Himmel männlich, die Erde weiblich. Davon
gibt es allerdings Ausnahmen, aber nur da- / durch, daß die betref-
fenden Erscheinungen unter anderen, ebenfalls möglichen Aspekten
betrachtet werden. Die Ägypter z. B. betrachteten den Himmel als
1
Theodor Hopfner: Artikel Mysterien, in: Paulys Realenzyklopädie, Bd 16,
Stuttgart 1935, S. 1345 f.
2
Vgl. oben S. 178.