[226/227]
247
das ausgebärende Prinzip der gesamten kosmischen Welt, so daß sie
ihn folgerichtig weiblich vorstellen konnten (die Hathor), woraus
sich dann in weiterer Folge die Erde als männliches Prinzip ergab. —
Ähnlich muß es einmal mit der deutschen Urmythologie gestanden
haben, wie uns „ d i e “ Sonne und „ d e r “ Mond unserer Sprache
lehrt. Dagegen folgen wir in „ d e r “ Himmel, „ d i e “ Erde den
anderen indogermanischen Sprachen und Mythologien.
G.
M a g i e a l s Q u e l l e b e s t i m m t e r E n t a r t u n g e n
d e r R e l i g i o n e n
Von der Magie aus sind auch viele Entartungen, Fehlausgliede-
rungen des höheren Polytheismus und aller niederen Geister- und
Naturdienste allein verständlich, nämlich
1.
sowohl die schrankenlose Vielgestaltigkeit und Wucherung aller
polytheistischen Religionen mit ihrer Unzahl von Gottheiten; wie
auch
2.
die Trübung ihrer Kulte und praktischen Methoden, wozu wir
besonders die blutigen Opfer und gar die Menschenopfer sowie die
naive Einbeziehung des Hasses in den Dienst der niederen wie sogar
der höheren Götter rechnen müssen, und ebenso die leere Maske-
rade sinnloser Zurüstungen und Formalitäten.
Denn die Magie, obgleich ihr ein Kern von Wahrheit unbedingt
zugebilligt werden muß — dies betonen wir mit Nachdruck gegen
die moderne Zweifelsucht — ist innerlich unsicher, in der Praxis
unbestimmt, daher vielgestaltig, das heißt sie kennt gegenüber ihren
Objekten keine Grenzen, sie sucht alle und jede empirische Erschei-
nung ebenso wie allgemeine Abstrakta zu erfassen und mit deren
vermeintlichen Zentren in Rapport zu treten. Auch sucht sie ge-
waltsam Entsprechungen und Sinnbilder auf, um durch diese zu
wirken, wobei sie in Willkür verfällt. Sie trübt sich ferner notwen-
dig, durch Gedankenlosigkeit und sittliche Schwäche — das heißt sie
vermischt sich mit Aberglauben, Haß und Unsittlichkeit. Der Aber-
glaube verkehrt insbesonders die Entsprechungen und Sinnbilder
ins Willkürliche, Sinnlose. Aberglaube ist nichts anderes als leere
Veräußerlichung.
/
Dieses Haltlose, uferlos Vielgestaltige des Polytheismus tritt in allen Mytholo-
gien zutage, vielleicht mit besonderer Deutlichkeit aber bei den Römern. So
schützte O p s das neugeborene Kind, P o t i n a lehrte es trinken, E d u s a essen,
S a t a n u s stehen, F a b u l i n u s reden.