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I. Vorblick auf das Konkrete und Reale des Christentums

Je gründlicher man andere Religionen studiert und ihre Verfin-

sterung durch Verstrickung im Naturhaften erkennt, um so heller

strahlt das Licht des Christentums. Schon bei seinem Auftreten un-

terscheidet es sich von allen bisherigen Religionen durch die welt-

geschichtliche Wendung, die es anbahnte. An keine Religion knüpft

sich ein entfernt ähnlicher Umschwung wie an die christliche.

Das allein schon fordert den ernsten Denker auf, über das Chri-

stentum nicht einfach hinwegzugehen, sondern den Wahrheitsgehalt,

welcher es zu solchen geschichtlichen Wirkungen befähigte, zu er-

forschen.

Auf die modernen Anklagen gegen das Christentum hier einzu-

gehen, wäre zu weitläufig, vor allem aber ist, was dagegen zu sagen

wäre, in unseren bisherigen Betrachtungen längst enthalten: daß

nämlich jene Anklagen an dem Wesentlichen Vorbeigehen, weil sie

rationalistisch, intellektualistisch sind (vom Politischen gar nicht zu

reden, das sich wohl gegen die Kirche aber nicht gegen die Religion

richten kann). Religion ist primär nicht Denken, Erkennen, sondern

übersinnliches Bewußtsein; Glaube ist nicht theoretisches Fürwahr-

halten, sondern baut sich auf einen Grund innerer Erfahrung eines

weltüberlegenen Seins, jenes Seins, in welchem sich der Mensch rück-

verbunden findet.

Aller modernen Fehde gegen die Religion und im besonderen das

Christentum — komme sie nun von David Friedrich Strauß, Feuer-

bach, Renan, Friedrich Nietzsche, Eduard von Hartmann, Arthur

Drews oder den Materialisten — ist also zu entgegnen, daß sie erst

das Rationale, Intellektuelle an ihrer Kritik auszumerzen habe, ehe

sie mehr als Gerede sein könne, welches von seinem Gegenstand /

soviel wie ein Blinder von der Farbe versteht. Das beweist insbeson-

dere der Inbegriff von religiösen Denknotwendigkeiten oder Kate-

gorien, als welcher sich uns die Religion darstellte: Gottverwandt-

schaft, Einheit von Gott und Welt, Unsterblichkeit, Liebe, Erlösung.