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tes den Menschen verheißt K i n d e r Gottes zu werden
1
und Gott
als den V a t e r preist
2
, der / den Menschen sucht und die L i e b e
ist, geht sie abermals über alles hinaus, was die bisherigen Religionen,
auch in ihren mystischen Richtungen, als reales und konkretes Ver-
hältnis des Menschen zu Gott gestalteten.
Die innige Annäherung des Menschen als Geist an Gott als Geist
schließt endlich die Erkenntnis der V o l l k o m m e n h e i t Gottes
nicht aus, sondern ein. „Seid vollkommen, wie euer Vater im Him-
mel vollkommen ist“
3
. „ . . . ich in ihnen und du in mir, auf daß sie
vollkommen seien in eins.. .“
4
. Der Begriff des schlechthin Voll-
kommenen ist keine äußerliche Abstraktion, kein aus bloßer Steige-
rung der (unvollkommenen) Erfahrung gewonnener Begriff, wel-
cher gültig sein kann oder auch nicht — sondern aus der inneren
Selbstanschauung des Geistes gewonnene Gewißheit! Das ist die Er-
klärung des
αγαθόν
Platons, des
ικανόν
und
αύταρκές
des göttlichen
Wesens. Ist Gott Geist, dann ist dem menschlichen Geist das Gött-
liche aufgeschlossen, indem er in sich selbst die göttliche Wurzel fin-
det. Damit sind wir auf die Gottverwandtschaft geführt
5
.
B. Die G o t t v e r w a n d t s c h a f t d e s M e n s c h e n
1. Entwicklung des Begriffes
Hier haben wir jene Kategorie vor uns, von der aus sich die
Grundlegung jeder Religion recht eigentlich vollzieht, die zentrale
Kategorie.
„Gott ist Geist“ — aber auch der Mensch ist seinem höchsten We-
sen nach Geist und demnach darin Gott verwandt! Damit läßt das
Christentum die Gottverwandtschaft des Menschen in unvergleich-
licher Weise in den Mittelpunkt treten.
Dem geistigen Gottesbegriff entspricht im Christentum auch der
göttlichste Begriff vom Menschen.
1
Johannes 1, 12.
2
Johannes 16, 27.
3
Mattheus 5, 48.
4
Johannes 17, 23.
5
Die letzte Klärung des Gottesbegriffes erfolgt erst durch die Schöpfungs-
lehre, siehe unten S. 383 ff.