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L o t z e z. B. erklärt: „Nennen wir Begriff... vorläufig überhaupt die zu-

sammengesetzte Vorstellung, die wir als ein zusammengehöriges Ganzes denken,

so heißt Inhalt... des Begriffes S die Summe der Einzelvorstellungen oder Merk-

male (notae) a, b, c, d . . ., durch welche S vollständig gedacht und von jedem

andern Begriffe 2 unterschieden wird...“; oder: „Ich nenne jeden zusammen-

gesetzten Inhalt s dann begrifflich gefaßt oder Begriff, wenn zu ihm ein All-

gemeines S mitgedacht wird . . .“.

1

Hier ist ja immerhin ein Ansatz dazu gegeben,

das Verhältnis zur Vorstellung und zum Allgemeinen zu bestimmen, aber zuletzt

bleibt es doch unklar; und die sonstige Problematik am Begriffe wird gar nicht

berührt.

Um auch neuere Proben davon zu geben, wie tief sich die erwähnten Fehler

in die Begriffsbestimmung gerade des Begriffes einbürgerten, sei zunächst G e y -

s e r angeführt: Der Begriff ist „ein aus einem Komplex gewisser Merkmale ge-

bildeter Gedankeninhalt, der dazu dient, eine bestimmte allgemeine gegenständ-

liche Einheit von den übrigen gegenständlichen Einheiten zu unterscheiden“.

„Der Begriff ist also ein Vorstellungsinhalt des Bewußtseins“

2

. — Benno E r d -

m a n n ersetzt beharrlich „Begriff“ durch „Gegenstand“ und definiert: „Der In-

begriff des Vorstellbaren gibt also den Inbegriff der Gegenstände möglichen Den-

kens überhaupt.. .“

3

. — Alois R i e h l erklärt geradezu: „Ein Begriff ist gleich

seiner Definition ...“ •— als ob das nicht von jedem Dinge der Natur und Gei-

steswelt gesagt werden könnte! Eine andere Begriffsbestimmung Riehls lautet: Im

Grunde seien „alle Begriffe ,Methodenbegriffe“, nämlich R e g e l n d e r V o r -

s t e l l u n g d e r O b j e k t e“

4

. Hier wird wenigstens auf eine Denkaufgabe,

die der Begriff stellt, hingewiesen, auf das Verhältnis zur Vorstellung. /

Diese wenigen Beispiele mögen genügen, um das Krisenhafte der gegenwärti-

gen Logikwissenschaft zu zeigen. Wie w e n i g s i e i m G r u n d e v o m E m -

p i r i s m u s l o s k a m , beweist gerade in der Begriffslehre der Umstand, daß

die meisten Logiker das Urteil vor den Begriff stellen — was sich immer dann

ergibt, wenn man den Begriff aus Sinneseindruck und Vorstellung ableitet. Zum

Beispiel erklärt einer der entschiedensten Empiristen, S t ö h r , folgerichtig:

Begriffe entstehen nicht durch Abstraktion, sondern durch „Kontraktion“ von

Vorstellungen

5

.

In der Lehre vom Begriffe gilt es vor allem, vier Irrtümer zu ver-

meiden:

1.

daß der Begriff aus Vorstellungen entstünde;

2.

daß der Begriff ausschließlich das Allgemeine darstelle;

3.

daß alle Begriffe für die formale Logik gleichwertig wären,

indem sie unbekümmert darum, ob sie einen wesentlichen Zu-

sammenhang betreffen, schlechthin als Begriffe zu gelten

haben;

1

Hermann Lotze: Logik (1874), Neudruck hrsg. von Georg Misch, Leip-

zig 1912 (= Philosophische Bibliothek, Bd 141).

2

Josef Geyser: Auf dem Kampffelde der Logik, Freiburg i. B. 1926, S. 13.

5

Benno Erdmann: Logik, Bd 1: Logische Elementarlehre, Halle 1923, S. 57.

4

Angeführt bei Johann Baptist Rieffert: Logik, in: Lehrbuch der Philosophie,

hrsg. von Max Dessoir, Bd 2, Berlin 1925, S. 93.

5

Adolf Stöhr: Leitfaden der Logik (1905), 2. Aufl., Leipzig 1915.