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Man möge unsere wiederholte Erörterung der Irrtümer der Empiristen nicht
für überflüssig halten. Denn auch bei den neueren nicht-empiristischen Logikern
sind sie in Wahrheit nicht ganz getilgt!
Schon A r i s t o t e l e s stellte die irreführende Behauptung auf, es ginge aus
vielen gleichartigen Wahrnehmungen das Allgemeine hervor
1
(welches aber bei
ihm in Wahrheit durch die den Dingen immanente „Form“ gegeben war). Bei
den zum Empirismus neigenden Schulen des Altertums und den Nominalisten
des Mittelalters wurde es mit solchen Ansichten wieder ernst, doch traten sie
infolge der Entwicklung zur f o r m a l e n Logik weniger in den Vordergrund.
Erst seit H o b b e s , L o c k e u n d H u m e , in der Logik seit J o h n S t u a r t
M i l l wird der Versuch, die Lehre von der Begriffsbildung völlig darauf zu
gründen, wirklich durchgeführt.
Auch die heutige neukantische und verwandte Logik ist keineswegs davon
frei, nachdem leider auch K a n t in der nach seinem Tode von J ä s c h e her-
ausgegebenen Logik be- / merkt, es käme weniger auf das Unbewußtwerden der
ungleichartigen als auf das Bewußtwerden der gleichartigen Vorstellungselemente
an. Die Frage jedoch, woher die Konzentration auf das „Gleichartige“ komme
und welches Gleichartige, blieb unbeantwortet. Nach Kant unterstützten H e r -
b a r t und B e n e k e die Empiristen in diesem Punkte, was bei dem großen
Einflusse der herbartischen Schule auf die Entwicklung der formalen Logik von
großer Bedeutung war. Die Herbartianer waren ja stets E k l e k t i k e r . Und
die modernen Logiker sind in einer verwandten Lage, sie wollen zwar keine
Empiristen mehr sein, aber noch weniger „Metaphysiker“. In dieser Zwiespäl-
tigkeit vermögen sie indessen empiristischen Rückfällen nicht zu entgehen: E s
f e h l e n d a z u d i e B e g r i f f s m i t t e l . R i c k e r t z. B. erklärt den Be-
griff als Überwindung der extensiven und intensiven Mannigfaltigkeit des Ge-
gebenen, welche der Vereinfachung und Übersichtlichkeit dient
2
. Hier haben wir
also Machs „Denkökonomie“ und die Mannigfaltigkeit der Sinneseindrücke wie-
der!
Man sieht, mit der bloßen Flucht vor dem „Psychologischen“ ist es auch nicht
getan. Sobald man vom Chaos der Sinneseindrücke ausgeht, wird man nie zur
inneren E i n h e i t des Begriffes kommen!
Sieht man aber wie L o t z e in der Bildung von Vorstellungen aus Empfin-
dungen schon (ganz richtig) eine Denkhandlung und im Vergleichen wie im Un-
terscheiden eine weitere, zweite Denkhandlung — welche zur angeblichen Ge-
meinvorstellung führen soll —, dann ist Denken von Empfinden und Vorstellen
ohnehin grundsätzlich unterschieden; nur scheint uns bei dieser Art der Behand-
lung die Sonderstellung des Denkens gegenüber Empfindung und Vorstellung
verdunkelt. Empfindung, Vorstellung und die Bildung der Allgemeinvorstellung
(wenn es eine solche gäbe) ist nicht Sache der Logik. Bekanntlich hatte ja auch
Lotze dem „ersten Allgemeinen“, nämlich der Vorstellung, das „zweite Allge-
meine“, nämlich des Begriffes, hinzugefügt.
Das A l l g e m e i n e k a n n n i e a u s d e m E i n z e l n e n h e r v o r -
g e h e n . Das bleibt auch bei Lotze unklar.
1
Aristoteles: Zweite Analytiken: II. 19, 99 b; 36—100 a, 8.
2
Heinrich Rickert: Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung,
2. Aufl., Tübingen 1913, S. 52 ff. und S. 101 ff.