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Das Denken entfaltet die Eingebung zum Begriffe, die Kunst zur

Gestalt. Das Denken vollzieht diese Entfaltung durch Teilvergegen-

ständlichung des Urteils, die Kunst durch Teilgestaltung. Dem

Schlusse als Urteil höherer Ordnung muß daher eine Gestalt höherer

Ordnung entsprechen!

Unter „Gestalt“ darf man freilich nicht nur, wie früher schon er-

innert, an Raumgestalten denken, daher unter Teilgestalten und Ge-

stalten höherer Ordnung auch nicht nur an die Malerei, Bildhauerei,

Architektur, Tanzkunst; auch die Musik und die Poesie kommen in

allen ihren Formen in Betracht. Fassen wir z. B. ein musikalisches

Thema (Melodie) als Teilgestalt auf (dem Urteil entsprechend), so

wären die Umkehrung im weiteren Sinne und Durchführung zum

ganzen Satze einer Sonate oder Symphonie und schließlich / diese

letzteren selbst Gestalten höherer Ordnung, welche dem Schlusse,

der Schlußkette und dem damit gebildeten Begriffsgebäude (System)

entsprechen.

Ähnlich in den anderen Künsten. In den Fortschreitungen des Dra-

mas, Epos, Romanes kommt es deutlich zur Erscheinung, wie in den

einzelnen Auftritten, Aufzügen, Gesängen, Teilen, Abteilungen,

schließlich im Gesamtganzen zugleich Gestalten höherer Ordnung

vorliegen. Sie erscheinen äußerlich als Folgerungen, Fortgliederungen

der früheren, schon gegebenen Gestaltungen, andererseits aber, und

zwar der tieferen Wahrheit nach, als jene höheren Ganzheiten, durch

deren Ausgliederung erst die jeweils niederen Stufen und Teilinhalte,

also die Teilgestalten und deren Elemente f o l g e n !

Genau dasselbe sehen wir beim Schlusse. Genetisch erscheint er

als aus den vorgegebenen Urteilen gezogen, dem Wesen der Sache

nach war er schon früher als die Urteile, aus denen er gefolgert

wurde: Aus der jeweils umfassenderen Wahrheit sind die Teilwahr-

heiten, Teilgegenstände (Urteile) ausgegliedert! Zuletzt ist es das

Ganze eines Begriffsgebäudes, eines Systems, aus dem alles folgt. So

versteht man, wie es auch das Ganze des Dramas, Romans, der Sym-

phonie, Sonate, des Gemäldes, Bildwerkes, Architekturbildes, Tanz-

themas usw. ist, welches dem Wesen der Sache nach a l l e Gestal-

ten, Teilgestalten und deren Elemente ausgliedert, also auch schon

vor der Ausgliederung virtuell in sich hat.

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