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Die Auflösung des „Achilles“ liegt demnach zuletzt nur im Be-

griffe des Unendlichen, im besonderen des unendlich Kleinen! /

Das erste ist nun, einzusehen, daß der Begriff des M e n g e n -

h a f t - U n e n d l i c h e n , also jener, welcher durch unaufhör-

liche Hinzufügung entsteht, unvollziehbar, ein U n b e g r i f f sei!

Durch fortwährende Hinzufügung entsteht das unendlich Große,

welches aber realiter unmöglich ist, weil es das Gestaltlose wäre. Und

das kann es dem Wesen der Sache nach nicht geben

1

. Hegel nannte

das mengenhaft unendlich Große mit Recht die „schlechte Unend-

lichkeit“.

Beim unendlich Kleinen sodann steht es insofern anders, als die

unendliche Reihe abnehmender Größen auch mathematisch eine

e n d l i c h e S u m m e ergibt (nach der „fallenden geometrischen

Progression“ sind die Zuwüchse immer mehr „der Null zustrebende

Größen“, die schließlich Null werden). Die Grundlage des unendlich

Kleinen ist die Stetigkeit des Raumes, denn das Stetige besteht, wie

besonders Aristoteles und Leibniz mit Recht hervorhoben, n i c h t

aus unteilbaren, letzten Einheiten. Das Stetige

(

συνεχές

,

continuitas)

ist in sich immer weiter teilbar (Phys. VI, 1; I, 1). In der neueren

Mathematik kommt das bekanntlich in der Infinitesimalrechnung

zum Ausdrucke.

Aristoteles machte gegen den „Achilles“ geltend, es sei nicht

nur der Raum, sondern auch die Zeit ein Stetiges und daher

ebenso ins Unendliche teilbar. Wenn daher die Raumteile (einer end-

lichen Raumgröße) ins Unendliche abnehmen, so doch auch die Zeit-

teile (einer gegebenen, endlichen Zeit): der unendlich teilbare, be-

grenzte Raum, könne daher auch in einer begrenzten, ebenfalls un-

endlich teilbaren Zeit zurückgelegt werden.

/

Diese Beweisgründe des Aristoteles wurden mit Unrecht bekämpft

(übrigens von Hegel verteidigt). Läßt man nämlich die u n e n d -

l i c h e Teilbarkeit eines begrenzten Raumes gelten, dann bedeutet

dieselbe u n e n d l i c h e Teilbarkeit der Zeit, daß tatsächlich j e -

der a b n e h m e n d e n R a u m g r ö ß e e i n e e b e n s o a b -

n e h m e n d e Z e i t g r ö ß e e n t s p r e c h e ! Der Durchlaufung

unendlicher, abnehmender Raumteile steht eine genau entsprechende

1

Eine nähere Begründung, die uns hier zu weit führen würde, siehe in mei-

nem Buch: Naturphilosophie, 2. Aufl., Graz 1963, S. 74 ff. und öfters.