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Das düstere Ende, das auf irgendeine Weise keinem großen Leben

fehlt, war die kirchliche Anklage und Verurteilung. Schon im Jahre

1325 wurden auf dem Generalkapitel der Dominikaner zu Venedig

Klagen laut, daß deutsche Ordensbrüder in ihren Predigten vor

theologisch Ungeschulten zu Glaubensirrtümern Anlaß gäben. Wahr-

scheinlich daraufhin ernannte Papst Johann XII. den Nikolaus von

Straßburg zum Visitator der deutschen Ordensprovinz. Die Unter-

suchung endete aber diesmal noch zugunsten Eckeharts, da Nikolaus

ihm wohl selbst anhing. Jedoch eröffnete der Erzbischof von Köln,

Heinrich von Virneburg, schon im folgenden Jahre, 1326, ein In-

quisitionsverfahren gegen den Meister. Da er zwei Franziskaner mit

der Untersuchung beauftragte, Dominikaner und Franziskaner in

den damaligen Zeitwirren sich jedoch in schärfstem Gegensatze be-

fanden, wurde der Prozeß voreingenommen und gehässig gegen

Eckehart geführt. Überdies standen diese Inquisitoren auf zu tiefer

geistiger Ebene und vermochten Eckeharts hohe Gedanken oft nicht

zu fassen, so daß Eckehart in seiner uns glücklicherweise erhaltenen

Rechtfertigungsschrift öfters sagen mußte: „Das verneinen, heißt

Gott lästern (hoc negare est Deum blasphemare)“; „wenn einer das

nicht versteht, was kann ich dafür?“; und seinen Anklägern Unwis-

senheit („Ignoranz“) vorwarf — Worte, die man ja über jeden

Abschnitt der Geistesgeschichte dort setzen muß, wo neue, große

Leistungen auftreten!

Aber das Verhängnis war nicht aufzuhalten. Zuerst wurden von

den Inquisitoren über 100 Sätze, später, als Eckehart sich daraufhin

schriftlich verteidigte, 59 Sätze beanstandet, die aus seinen Schriften

und Predigten stammten oder stammen sollten. Die vorein-

genommene, ja gehässige Haltung der Inquisitoren, welche un-

genaue Texte verwendeten und Sätze aus dem Zusammenhange

rissen, wurde von Otto Karrer unwiderleglich nachgewiesen. —

Am 24. Jänner 1327 legte Eckehart Berufung an den Papst zu

Avignon ein, am 13. Februar 1327 ließ er in der Kölner Domini-

kanerkirche eine Erklärung lateinisch und deutsch vor dem Volke

vorlesen, wonach er „von vorneherein alles widerrufe, wovon man

nachweisen könne, daß es der gesunden kirchlichen Lehre nicht ent-

spreche.“ Denn er selbst war von der Rechtgläubigkeit seiner Lehre

überzeugt.