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15

das „Buch der göttlichen Tröstung" und manche Predigtstellen be-

zeugen

1

), war der Orden auf seiner Seite. Stellen wie: „Und etliche

Pfaffen, die verstehen das n i c h t . . s i n d nicht selten.

Alles, was wir von Meister Eckehart wissen, beweist uns, daß er

nicht nur lehrte, sondern auch lebte, was er lehrte — ein Lebemei-

ster galt ihm mehr als tausend Lesemeister

2

; daß er bei angespann-

tester Tätigkeit ein ekstatisches Leben zu führen fähig war. Seine

Lehre war aus tiefstem innerem Wissen geschöpft, daher die hohe

Verehrung, die er im gesamten deutschen Gebiet genoß, wie die

große Verbreitung seiner Schriften und Predigten bis heute beweist.

Die lauterste Quelle seiner Gedanken beweisen auch nicht zuletzt

jene vielen Ausbrüche der Unmittelbarkeit, denen wir in so vielen

seiner Schriften begegnen und die aus den letzten Tiefen mensch-

lichen Erlebens kamen. Nur er konnte sagen:

„Möhtent ir gemerken mit mînem herzen, ir verstüendet wol, waz ich

spriche, wan ez ist wâr unde diu wârheit sprichet ez selbe.“

3

Daher jeder Kenner den Mönchen beipflichten wird, wenn sie

über ihre Abschriften Worte wie die folgenden setzten:

DIZ IST MEISTER ECKEHART,

DEM GOT NIE NIHT VERBARC.

4

oder:

DIZ IST OUCH MEISTER ECKEHART,

DER LÊRTE DIE WÂRHEIT ALLE VART.

5

Blicken wir auf das Schicksal Meister Eckeharts zurück, so dürfen

wir es wohl dem des Dichters der „Göttlichen Komödie“, Dantes,

vergleichen, so wie es Michelangelo sah. Dante lebte und starb in

der Verbannung, auch Eckehart starb in der Fremde. Über Dante

sagte Michelangelo:

Zum finstern Abgrund stieg er von der Erde,

Sah beide Höllen; dann zu Gott erhub

Er sich, begeistert von erhabnem Wollen,

Und gab davon uns nachmals wahre Kunde.

1

Vgl. zum Beispiel Pf. 447, 29: „Waz mac ich, ob ieman daz niht verstât?“

Was kann ich dafür, wenn jemand das nicht versteht?

2

Pf. 599, 19.

3

Pf. 46, 20: Könntet ihr mit meinem Herzen erkennen, so verstündet ihr

wohl, was ich sage; denn es ist wahr, und die Wahrheit sagt es selbst.

4

Pf. 3, 1 und Pf. 597, 1: Dies ist Meister Eckehart, dem Gott niemals etwas

verbarg.

5

Pf. 16, 14: Dies ist auch Meister Eckehart, der stets die Wahrheit lehrte.