13
Trotzdem die Kölner Inquisition die Berufung Eckeharts verwarf
(am 22. Februar 1327), ging sie an den Papst nach Avignon. Ecke-
hart reiste noch im hohen Alter, er war fast siebzig, dorthin, um
sich zu verteidigen. Ein neuerlich entdecktes Gutachten Avignoner
Theologen gibt uns von einer dritten Anklage dortselbst und einer
dritten Verteidigungsschrift des Meisters Kunde
1
; auch durch ein
ausdrückliches Zeugnis Wilhelms von O c c a m , des Nominalisten,
in einem Briefe, den Alois Dempf kürzlich ans Licht zog
2
. Occam
nennt dort Eckeharts Sätze „absurd" — eine geradezu nieder-
drückende Verständnislosigkeit, die man selbst von einem Nomi-
nalisten nicht erwartet hätte!
Eckehart scheint nochmals einen bedingten Widerruf geleistet zu
haben, wohl ähnlich dem vom 13. Februar 1327 in Köln. Erst am
27. März 1329 erschien die Bulle des Papstes „In agro dominico“,
in welcher eine Anzahl von Sätzen „so wie sie klingen“ (also eigent-
lich nur bedingt) als Irrtümer gegen den Glauben bezeichnet, ferner
zwei, nämlich Satz 27 und 28, Eckeharten nur bedingt zugeschrie-
ben werden. Im ganzen wurden 28 Sätze verurteilt, deren Wortlaut
wir samt der Bulle im Anhange wiedergeben
3
.
Eckehart aber war schon vorher in Avignon gestorben, also zwi-
schen 1327 und 1329. Über seinen Tod ist nichts Näheres bekannt.
Trotz der für damalige Verhältnisse milden Form, in der die Ver-
urteilung erfolgte, war sie so verhängnisvoll wie wenige andere Er-
eignisse der Geistesgeschichte. Denn die Verurteilung schloß auch
alle Schriften, in denen jene Sätze enthalten waren, ein, und damit
war Eckeharts gesamtes Schrifttum getroffen.
So dürftig unsere Kunde über Meister Eckeharts Leben auch ist,
eines lehrt sie uns, was man nicht genug einschätzen kann: der große
Mystiker führte ein hochangespanntes, ein t ä t i g e s L e b e n !
Die hohen Ämter, die er versah, die vielen Reisen, die damit ver-
bunden waren, die ausgebreiteten Studien, welche seine Magister-
1
Franz Pelster: Ein Gutachten aus dem Eckehartprozesse in Avignon, Mün-
chen 1935, in: Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittel-
alters, Suppl. Bd III, S. 1009.
2
Alois Dempf: Meister Eckhart. Eine Einführung in sein Werk, Leipzig 1934,
S. 85 und 86 f.
3
Siehe S. 253 ff.