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„Ich bringe Euch die Mär“,
Sprach eine gute Nonne,
„Uns kommen Prediger,
Das füllt mein Herz mit Wonne.
Sie bringen heilsam Wort,
Sie wollen uns erschließen
Den Himmlischen Hort.
Scheidet abe gar,
Nehmet Gottes in Euch wahr,
Senket Euch in Einigkeit,
Das ist wahre Fröhlichkeit.
Der werte Lesemeister,
Der übt ein hohes Sinnen,
Er will die Seele reißen
Mit Fürbitt seiner Minnen.
Mit seiner Minne drängen
Tut er sie also heiß,
Daß sie vor lauter Minnen
Nicht Red’ und Antwort weiß.
Scheidet abe gar . . .
Der hohe Meister Dieterich,
Der will uns machen froh,
Er sprach mit klarer Rede
Gleich in principio.
Von Adlers steilen Flügen
Will er uns machen kund,
Die Seele ganz verzücken
Zum Grunde ohne Grund.
Scheidet abe gar ...
Der weise Meister Eckehart
Will uns vom Nichte sagen;
Und wer das nicht verstehet,
Der mag es Gotte klagen:
In den hat nicht geleuchtet
Der göttlich reine Schein!
Scheidet abe gar . ..
Ich kann Euch nicht berichten,
Wovon man uns geseit:
Ihr sollt Euch gar vernichten
In der Geschaffenheit!
Ins Ungeschaffne ziehet,
Verlaßt Euch selber gar:
Allda man köstlich siehet
Ins reine Wesen gar.
Scheidet abe gar . . .
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Aus: Josef Bernhart: Meister Eckhart, München 1914 ( = Sammlung Kösel);
nach: Auguste Jundt, Histoire du panthéisme populaire au moyen âge et au
seizème siècle, Paris 1875, S. 281 f.