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Nicht die seelischen Vorgänge beim „Gefallen“ stehen daher zur

Untersuchung; sondern das Wesen des Schönen selbst, das, w o r -

a n man Gefallen findet; oder von rechtswegen, wesensgemäß, zu

finden habe!

In einer Zeit eines verstockten Empirismus und Subjektivismus

wie der heutigen wäre es aber unzweckmäßig, das „Gefallen“, rich-

tiger das Erfassen des Schönen, überhaupt nicht zu erwähnen; daher

fügten wir den Bestimmungen „Eingebung, ebenbildliche Gestal-

tung und Rückverbundenheit“ noch das „unmittelbare Innewerden“

hinzu.

Die erste Frage ist demnach, wessen wir am Schönen „unmittel-

bar“ innewerden; erst die zweite, wie es bei diesem „Innewerden“

eigentlich zugehe.

Daß wir der Eingebung, ihrer Gestaltung und Rückverbunden-

heit innewerden, lehrt der Begriff des Schönen, wie wir ihn bisher

entwickelten. Die Gestalt nun können wir, soweit sie sinnlich wird,

sehen, hören und wahrnehmen; das Geistige der Gestalt dagegen

kann nicht als ein e i g e n e s E t w a s wahrgenommen, es muß

also u n m i t t e l b a r erfaßt werden.

Ebenso die Eingebung. Da sie sich als eine innere Erweckung des

menschlichen Geistes erwies, eine Erweckung demnach von etwas,

was im Geiste schlummerte, was schon von Anbeginn sein Besitz

war; kann auch sie nur unmittelbar erfaßt werden (obzwar durch

Sinneserfahrung mit vorbedingt, angeregt).

Die Eingebung offenbart uns ein Gegenständliches, Oberichhaf-

tes; d a h e r d a s S c h ö n e n i c h t n i c h t i g s e i n k a n n ,

wie sich aus allen Zusammenhängen, die wir früher erörterten,

ergab. Aber auch hier kann dieses Gegenständliche nicht sinnlich

wahrgenommen werden: Wir müssen seiner unmittelbar innewer-

den! Darum wir so oft auf das Beispiel des Blinden, der von der

Farbe redet, verweisen mußten. Dieses Beispiel wollte ja gerade im-

mer wieder sagen, daß der letzte Gehalt dessen, um was es sich je-

weils handelte, unmittelbar erfahren werden muß, ähnlich wie die

Farbe „Blau“ durch die Sinne, welche eben der Blinde nicht erfahren

kann.

Am klarsten erkennt man die Notwendigkeit eines unmittel-

baren Innewerdens des Schönen an der Rückverbundenheit. Sie

kommt dem Gesamtganzen des Kunstwerkes zu und tritt nicht ein-