I. Das Verhältnis des Schönen zum Nützlichen
Dieses Verhältnis zum Nützlichen, worunter wir das leiblich und
sinnlich Förderliche sowie das sinnlich A n g e n e h m e verstehen,
ist durch die vorangegangene Begriffsbestimmung des Schönen be-
reits klargestellt. Es bedarf daher keiner näheren Erörterung mehr,
lediglich einer Zusammenfassung und Erinnerung.
Das Schöne beruht auf Gestaltung einer Eingebung; und beides
ist etwas anderes, Arteigenes gegenüber dem bloßen Sinnenreiz und
dem sinnlich-leiblich Förderlichen, welches im Nützlichen und An-
genehmen vorliegt. Speise, Trank und Obdach sind sinnlich-leiblich
förderlich und, soweit lustvoll, auch angenehm. Aber das Schöne
entspringt aus der Eingebung, der Erfassung des intelligiblen Grun-
des der Dinge; und die Eingebung muß zugleich (als rückver-
bundene) gestaltet sein, um zum Schönen zu werden. Daher ist es
um eine Welt vom Nützlichen und Angenehmen geschieden.
Es ist allerdings unleugbar, daß das Schöne jeder Kunstgattung,
namentlich aber der bildenden Kunst, auch sinnlich angenehm
wirkt oder mindestens wirken kann, z. B. ein Zimmer, ein ganzes
Bauwerk durch „behagliche“ Abmessungen, eine Musik durch ange-
nehme Töne, ein Gedicht durch wohlempfundene Rhythmen. Aber
nicht das ist es, was ein Werk zum Kunstwerk, zu einem Schönen
macht; denn wäre „Richard III.“ oder „Macbeth“ in noch so ange-
nehmen, sinnlich gefälligen Rhythmen und Wortklängen abgefaßt;
es würde doch nicht zum Schönen zu rechnen sein, hätte es nicht
jenen großen Eingebungsgehalt, der den Zuschauer erschüttert und
in der Gestalt, die ihm Shakespeare gab, ausgemünzt, veranschau-
licht wird. Die Eingebung und ihre ebenbildliche Gestaltung, so
zeigt sich sogleich, sind es, die das Schöne machen, nicht das dabei
mitlaufende (oder auch zuwiderlaufende) Sinnlich-Nützliche und
Sinnlich-Angenehme.
Wie denn auch, um nur e i n Beispiel zu nennen, die zeitgenös-
sische, „atonal“ oder dergleichen sich nennende Greuel- und Katzen-
geschrei-Musik nicht grundsätzlich wegen ihres vielfach so unange-