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Handels Messias und das Tragisch-Schöne in den beiden Ödipus-

Dramen des Sophokles hervortritt, ja, es ganz und gar durchge-

staltet. Im Unholdisch-Schönen bzw. Inhaltlich-Häßlichen tritt der

Gegensatz von Lichtem und Finsterem hervor, der zu den Urtatsachen

der Welt gehört. Als Beispiele sind hier zu nennen die Medusa mit

ihrem Schlangenhaupt, die Dramengestalt der Medea, Hieronymus

Bosch, Francisco de Goya, Honoré Daumier, Alfred Kubin in ihren

Bildkunstwerken, Charles Baudelaire, Gottfried Benn in ihrer Lyrik.

Als Darstellung des Finsteren sei auf die Salome von Richard Strauss

mit dem Text Hugo von Hofmannsthals und auf manche Werke

Beethovens verwiesen. Dessen 5. Symphonie (Schicksalssymphonie)

ist die Gestaltung des Weges durch Nacht zum Licht, versöhnt also

das Unholdisch-Schöne mit dem Frohlockend-Schönen.

Warum enthalten aber die Arten des Schönen bei Spann nicht auch

das Magisch-Schöne? Zwar weist Spann auf die prähistorischen Fels-

zeichnungen z. B. in Altamira hin, zieht aber aus dieser Erkenntnis

keine Konsequenz. Darum bleibt ihm auch der Schönheitsgehalt der

Kunst der sogenannten Primitiven verschlossen. Erst heute vermögen

wir z. B. die Negerkunst, aber auch die frühamerikanische zu be-

greifen

6

. Ebenso wäre nach Spanns Kunstphilosophie die Venus von

Willendorf, die helladischen und kretischen Idole

7

außerhalb des

Kunstbereichs. Die hier auftretende Problematik kann nur im Rahmen

des Magisch-Schönen gelöst oder doch wenigstens verständlich ge-

macht werden. Magisch bestimmt sind aber auch die frühen Wort-

darstellungen wie z. B. das Gilgamesch-Epos, die großartige griechi-

sche Mythologie und die Merseburger Zaubersprüche, weil vor allem

in Spanns Naturphilosophie und in seiner Pneumatologie („Erkenne

Dich selbst“, Bd 14, 97 und 239 ff.) wesentliche Ansatzpunkte für

das Magieverständnis der Kunst vorhanden sind, insbesondere in der

schöpferischen Einsicht der „Verräumlichung“, den immateriellen

Wurzeln der Materie und der „Gezweiung höherer Ordnung“. Erst

auf dieser Basis lösen sich die Fragen nach der Adäquanz des Schönen

auch in diesen relativ schwer erhellbaren Bereichen.

6

André Malraux: Stimmen der Stille, München—Zürich 1956, S. 523 ff.

7

Fritz Schachermeyr: Die ältesten Kulturen Griechenlands, Stuttgart 1955, S. 154 ff.