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den Aufrauschen von Schönheit geradezu Blicke in den Himmel
machen läßt. Doch wird auf die mystische Höhe, die im Melker Dom
und im Petersdom zum Audruck kommt, verwiesen. Auf der anderen
Seite bedauert man, welchen Abstieg die spätere Gotik darstellt, was
bei der Betrachtung der Nordfassade des Straßburger Münsters im
Zusammenhang mit seinen übrigen Skulpturen besonders deutlich
zu werden scheint. Woher aber kommen derartige Abstiege? Hier
muß man mit Spann sagen, daß sie ihre Wurzeln in dem Verblassen
der Eingebungsstärke haben. Dies begünstigt das Heraufkommen
eines neuen Stils, der keineswegs von vornherein eine Schwäche,
Flachheit oder geringere Eingebungsfülle aufweist, wie an dem Bei-
spiel des Petersdomes in Rom deutlich wird. Auch auf die Stil-
geschichte ist das Wort Rankes, jede Epoche sei unmittelbar zu Gott,
anzuwenden, was natürlich nur insofern gilt, als eine Zeit echte
Kunstwerke hervorzubringen vermag. Aber grundsätzlich ist es auch
auf die hohen Werke der modernen Kunst, die keineswegs nur Ver-
fall ist, anzuwenden.
Eine durch Spanns Lehre lösbare Frage ist jene nach dem Ver-
hältnis der zweifellos gegebenen Verbindlichkeit des Schönen zu den
verschiedenen Kunststilen. Mit Spann wird man stets einen richtigen
Weg finden, wenn man die Eingebungsnähe in den Vordergrund
stellt. Wie die Rückverbundenheitslehre zeigt, ist es notwendig, des
Schönen unmittelbar innezuwerden, was schon aus Kants berühmter
Begriffslehre des Schönen als das, was uninteressiert und ohne Begriff
gefällt, hervorgeht.
Die Künste werden nach dem Grade ihres Geistesgehaltes eingeteilt,
und zwar erscheint die Dichtkunst als die Kunst des höchsten Geistes-
gehaltes, die Tonkunst als die Kunst höchsten Seelengehaltes und die
bildende Kunst als die Kunst höchsten Naturgehaltes (Bd 19, 281).
Die Dicht- und Tonkunst stellen durch Sprache, Zeitgestalt und Ton
Geist und Seele des Menschen dar, während die bildenden Künste
geistesfremde Mittel verwenden. Ein Schlüssel für das Verständnis der
bildenden Kunst ist in der Naturphilosophie gegeben. Die Naturseele
nimmt Gestalt an, sie läßt die Weltseele durchscheinen („Naturphilo-
sophie“, Bd 15, 225 ff.).
Die packenden steinzeitlichen Felsenzeichnungen werden in einen
Zusammenhang mit dem Totemismus gestellt, welcher ja unmittel-