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301

A n h a n g : N e u e r e R i c h t u n g e n i n d e r G e i s t e s l e h r e

( V e r l u s t u n d W i e d e r g e w i n n d e r s e e l i s c h e n G a n z h e i t )

Wie zeitgemäß die dargestellte Lehre vom subjektiven Geiste ist,

zeigen neuere ganzheitliche Tendenzen in der P s y c h o l o g i e .

Erleben und Erkennen, Schauen und Wissen des Geschauten und

Erlebten: das sind die beiden sich ergänzenden Hemisphären des

geistigen Schaffens. Nur wenn der menschliche Geist beide voll

auszuschwingen, wenn er das Oberste und Unterste, das Innerste

und Äußerste in Einklang zu bringen, das eine im anderen „eben-

bildlich“ darzustellen imstande ist, erstehen vor uns jene Schöp-

fungen der Kunst und Philosophie, die zum Ursprung unseres Wesens-

kernes hinzuführen vermögen. Darum erscheinen uns die großen

Künstler und Philosophen, um uns eines Wortes Rankes über Platon

zu bedienen, wie selige Geister, denen es beliebt hat, unter uns zu

weilen. Darum empfinden wir es aber auch als eine nicht nur mensch-

liche, sondern wahrhaft geistesgeschichtliche Tragödie, wenn (durch

Nichterkennen des Erlebten, durch einen Bruch zwischen Schauen

und Wissen) solch ein wahrhaft berufener, „seliger Geist“ nicht zu

jener Klarheit des Denkens gefunden hat, um mit dem göttlichen

Pfunde zu wuchern, das ihm in seiner Seligkeit anvertraut wurde.

So ein „selig unseliger“ Geist ist W i l h e l m W u n d t (1832 bis

1920), dessen unheilbringende Lehre die deutschen Lehrkanzeln

durch Jahrzehnte beherrschen sollte.

Erhebung und Fall, Fall und Erhebung der die abendländische

Geistesgeschichte bestimmenden deutschen Philosophie wird an dem

Schicksale dieses redlichen Mannes der Wissenschaft in so erschüt-

ternder Tragik offenbar, daß wir zunächst an dem höchstbegnadeten

Erleben des Menschen, aber umso gnadenloseren Wirken des Philo-

sophen das Schicksal der neuzeitlichen Philosophie und Geisteslehre

seit dem Aufschwunge und Niedergange des Deutschen Idealismus in

anschaulicher Kürze glauben aufzeigen zu dürfen.

Der Welt leer sein, heißt Gottes voll sein! Das ist gleichsam die

innere Lebensanweisung Meister Eckeharts und aller gottbegeisterten

Mystiker. Die ganzheitliche Kategorienlehre hat das besondere Ver-

dienst, uns diesen Satz in philosophischer Einsichtigkeit verständlich

gemacht zu haben. Ist das Ganze am Grunde seiner Glieder, so muß