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Stellung durchaus gefühlsbetonten Lehre, fand aber in seinem Schüler

Wellek einen systemgerechten Vollender

11

. Doch ist neben ihnen

auch noch ein Dritter zu nennen, der oben erwähnte H a n s

V o l k e l t (geh. 1886), der den Mut hatte, ins Transzendente

vorzustoßen zu einem alle empirischen Iche überhöhenden meta-

physischen Ich (= „Wir“): „Wenn auch nicht wissenschaftlich, so

bejahe ich glaubensmäßig in vielen Fällen das metaphysisch-meta-

psychische Dasein eines Wir“

12

. Damit hat er der Seelenlehre das

Tor geöffnet zu Tiefen, die sich die bis dahin herrschende Bewußt-

seins-Psychologie vorsichtig verschlossen gehalten hatte. Er hat

bereits die Erkenntnisse der Tiefenpsychologie in seine Lehre aufge-

nommen, ja diese in Wahrheit sogar überhöht!

Der Ausgangspunkt der (zunächst empiristisch ausgerichteten)

Bewußtseinspsychologie waren empirische Tatsachen der Phäno-

menologie, Erscheinungsfakten des menschlichen Bewußtseins. Aber

auch die moderne „psychoanalytische“ Tiefenpsychologie geht aus

von Phänomenen, von Aussagen des Geistes, freilich nicht aus seinem

Bewußtseinsbereich, sondern aus der Sphäre des „Unbewußten“

(Traum-, Assoziationsanalysen und dergleichen) gewonnenen Mani-

festationen. Phänomene aber sind überhaupt nur deutbar durch

Theorien! Und von solchen Theorien lebte, wie wir sahen, entgegen

seinen Voraussetzungen sogar der Empirismus, und zwar in seiner

ersten klassischen Periode ebenso wie im 19. und 20. Jahrhundert.

Denn auch die „Seelenlehre ohne Seele“ beruht nicht auf empi-

rischen Tatsachen, sondern auf einer (nicht nur weltfremden, son-

dern unwissenschaftlichen, alles menschliche Wissen geradezu ver-

höhnenden) theoretischen Annahme. Genau so ist es in der Tiefen-

psychologie.

S i e g m u n d F r e u d

13

(1856—1939) hatte das „Unbewußte“

entdeckt bzw. wiederentdeckt, nachdem dieses romantische Erbe der

empiristischen Psychologie verlorengehen mußte. Diese Entdeckung

war gegenüber dem Stande dieser Psychologie eine epochale (darin

besteht ihr Verdienst), die theoretische Deutung aber eine ebenso

11

Näheres siehe Rolf Amtmann: Geisteslehre, S. 101

ff

12

Hans Volkelt: Grundfragen, S. 221.

13

Siehe Rolf Amtmann: Geisteslehre, S. 112 ff.