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gelangt Ehrenfels zu dem Begriffe der G e s t a l t und weist damit

den Weg von einer Lehre der seelischen Phänomene zu einer Wissen-

schaft der Seele als einer wesenhaften Substanz.

A l e x i u s M e i n o n g (1853—1920) untermauerte diese Aus-

wertung und Ausdeutung seelischer Erscheinungen durch seine

,,G e g e n s t a n d s t h e o r i e“, in welcher er zu einer ganzheit-

lichen

Stufenfolge

von

sogenannten

„Objektiven“

(geistigen

Objekten) vorstößt, wobei die „Superiora“ wiederum „Inferiora“

zu höheren idealen Gegenständen werden können. Auch die Drei-

gliederung des Seins in „Existenz“, „Bestand“ und „Außersein“

ist von ganzheitlichen Tendenzen getragen, wenngleich er mit dem

letztgenannten Begriff (z. B. des runden Viereckes!)

9

in eine abstrakt-

utopische Denksphäre abgleitet. Vor allem aber hätte der geniale

Begriff der „ P r ä s e n t a t i o n “ (in welchem wir jenen der „Ein-

gebung“ geradezu „präsentiert“ sehen) die Sicht zu einer geschlos-

senen ganzheitlichen Seelenschau freimachen müssen!

Eine solche tut sich vor uns auf in der „G a n z h e i t s p s y c h o -

1 o g i e“ der zweiten Leipziger Schule, die in Weiterführung der

Gefühlsanalyse seines Münchner Lehrers Cornelius

10

von F e l i x

K r u e g e r (1874—1948) begründet und von A l b e r t W e l l e k

(geb. 1904) zu einer systematischen Einheitlichkeit gebracht wurde.

Krueger betont vor allem den Ganzheitscharakter der Gefühle und

untersucht sie in ihrer „Komplexqualität“ und „Ganzqualität“.

Diese zweite Leipziger Schule hat das große Verdienst, sich vom

überkommenen empiristischen „Unterbau“ und damit von den Vor-

aussetzungen der ersten Leipziger Schule (Wilhelm Wundts) gelöst

und die „Ganzheitlichkeit“ des Gefühlslebens hervorgehoben zu

haben, wenngleich der die Unmittelbarkeit der Gefühle erklärende

Begriff der Rückverbundenheit gefehlt hat. Krueger legte keinen

Wert auf eine systematische Ausgestaltung seiner auch in der Dar-

9

Siehe Rolf Amtmann: Die Geisteslehre Othmar Spanns, Graz 1960, S. 96 ff.

10

Hans Cornelius (1863—1931) suchte die Ehrenfelsschen Gestaltqualitäten auf eine

Theorie der Gefühle anzuwenden. Als Begründer des Strukturbegriffes muß besonders auch

Wilhelm Dilthey (1833—1911) genannt werden, der gegen den Atomismus in der Seelen-

lehre zu Felde zog und eine „verstehende“, „zergliedernde“ Psychologie zu entwickeln ver-

suchte, durch welche wohl auch der bei ihm studierende Othmar Spann erste fruchtbare

Anregungen für seine spätere Geisteslehre empfangen haben mag.