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am Schlusse seines wissenschaftlichen Alterswerkes

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zu sechs auf

ebenso vielen Seiten angedeuteten ganzheitsorientierten „Prinzipien

des psychischen Geschehens“ durch, insbesondere zum „ P r i n z i p

d e r s c h ö p f e r i s c h e n S y n t h e s e“, einem Bekenntnis,

das diesem lauteren Manne zur großen Ehre gereicht: als eine —

freilich nur moralisch, nicht wissenschaftlich zu wertende — „Selbst-

verleugnung“ seiner bisherigen Lehre. Ein Bekenntnis, das diese

allerdings nicht mehr zu ändern vermochte, wenngleich sie dadurch

eigentlich hätte aus den Angeln gehoben und von Grund auf neu

aufgebaut werden müssen; ein Bekenntnis, das jedoch von seinen

eigenständigen Schülern als ein in die Zukunft weisendes Vermächt-

nis verstanden worden ist. „Schöpferische Synthese“, das heißt

nichts Geringeres als jene Geistesbestimmung, zu der sich schon

Kant mit dem Begriffe der „Synthesis der transzendentalen Apper-

zeption“ emporgeschwungen hatte, damit jeder ganzheitlichen

Geisteslehre ein unerschütterliches Fundament errichtend.

Die Geschichte vermag zu heilen. Doch was mit einem Schlage

zerbrochen wurde, kann meist nur schrittweise wiedererlangt werden.

Einen solchen Weg erarbeitete sich die deutsche Philosophie, bis sie

dem Geiste wieder jene hohe Gipfelstellung einzuräumen vermochte,

die ihm der Deutsche Idealismus eines Kant, Fichte und Schelling

erobert hatte.

Der erste entscheidende Schritt

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von der phänomenologischen

Ausgangsposition, der Wundtschen (auf empirische Experimente

gestützten) Elementen-Psychologie weg erfolgte durch C h r i s t i a n

v o n E h r e n f e l s (1859—1932), der in seiner Schrift „Über die

Gestaltqualitäten“ aufzeigte, daß diese mehr sind als die Summe

ihrer Teile, ja daß die Gestaltqualität erhalten bleiben kann, wenn

ihre Teile durch andere ersetzt werden, z. B. durch Transponierung

einer Melodie in eine andere Tonart. Von den Gestaltqualitäten

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Wilhelm Wundt: Grundriß der Psychologie (1896), in 15. Auflage herausgegeben von

Max Wundt, Jena 1922, S. 398 ff.

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In der Folge können als Marksteine der ganzheitsorientierten Entwicklung der modernen

Psychologie nur die prägnantesten und für diese Entwicklungstendenz besonders charakte-

ristischen Namen und Lehren angeführt werden, Namen, die aus der modernen Seelenlehre

nicht mehr wegzudenken sind, Lehren, mit denen sich heute auch die Schulpsychologie aus-

einandersetzen muß.